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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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war durch häufiges Waschen zerschlissen, der Kragen ausgefranst. Die Hosen endeten oberhalb der Knöchel. Im Laufe der Zeit war der Stoff an den Knien durchgescheuert und an der Innenseite mit Flicken und einer Schraffur aus dickem schwarzem Baumwollgarn ausgebessert worden. Die ursprünglich schokobraune Windjacke reichte Steer kaum bis zur Taille und die Absätze der Schuhe waren abgelaufen.
    In dieser Kluft hatte man sofort das Gefühl, in der Haut eines jeden armseligen Junkies oder Kinderschänders zu stecken, der jemals in Pentridge eingebuchtet gewesen war. »Vergiss es, Mann.«
    Der Beamte horchte auf. »Wie bitte?«
    Â»Ich meine, geben Sie mir ein paar neue Sachen. Es wird sich lohnen für Sie, dafür sorge ich.«
    Â»Ach ja? Wie viel?«
    Â»Fünfzig.«
    Â»Sagen wir fünfundsiebzig und die Sache ist gebongt.«
    Â»Mein Anwalt wird es Ihnen morgen geben.«
    Â»Wenn nicht«, sagte der Beamte, »schlüpfst du ganz schnell in abgetragenes Zeug.«
    Â»Für fünfundsiebzig«, konterte Steer, »kann man ein anständiges Bett erwarten.«
    In der Obhut eines anderen Beamten verließ Steer schließlich den Verwaltungstrakt. Auf dem langen Weg zu seiner Zelle pfiff ihm ein Gefangener hinterher, andere blieben stehen und starrten Steer an, als er an ihnen vorbeiging. Steer und der Beamte näherten sich einer Tür. Ein Insasse, der an der Wand lehnte und rauchte, sprang nach vorn und riss die Tür auf, zog mit dieser Geste der Höflichkeit eine Riesenshow ab.
    Steer wusste, worum es ging. Es war ein Test. Hätte er sich bedankt, wäre er als Weichei gebrandmarkt. Steer war kein Weichei. Er hatte Kraft, war schlank und durchtrainiert. Groß, mit schmalen Hüften und breiten Schultern, mit flachem Bauch und großen Händen, deren Knöchel wie Kieselsteine unter der Haut hervortraten. Sein Gesicht war vernarbt, aber es war ein grinsendes, waches, sympathisches Gesicht mit schlechten Zähnen und einem strahlenden Blick aus Mörderaugen. Er fixierte den Mann, kalt und gleichmütig, und sah, wie der den Blick senkte und zurücktrat.
    Der Beamte hatte die Szene beobachtet. »Verpiss dich, Bence.«
    Â»Wie Sie meinen, Mr. Loney, Sir.«
    Sie standen in einem Gang mit spartanischen Zellen; Steer zählte zwei Betten je Zelle. Die Zellen — jeweils drei Meter in der Länge, in der Breite und in der Höhe — waren miserabel beleuchtet und ihre Wände gaben Kälte und Feuchtigkeit ab. Am Ende des Ganges, vor einer offenen Zellentür, lungerten zwei Männer. »Ein Neuzugang«, lautete ihr Kommentar.
    Steer starrte sie an. Wie Bence zogen sie die Köpfe ein. Na bitte, geht doch.
    Â»Das ist deine Zelle, Steer«, sagte der Wärter. »Der charmante Kerl im Bett da unten ist Monger. Du zeigst Steer, wie der Hase hier läuft, nicht wahr, Monger?«
    Â»Sicher, Mr. Loney«, sagte Monger.
    Der Beamte ließ sie allein. Einer der Männer an der Tür zog ab. Gegen den Türrahmen gelehnt, nahm der andere ein Päckchen Zigaretten aus der Brusttasche seines Hemdes und schüttelte eine heraus. »Willkommen im D-Block, Kumpel. Was zu rauchen?«
    Â»Nein, danke«, erwiderte Steer. Es hätte ein ernst gemeintes Angebot sein können, aber auch eine Probe aufs Exempel.
    Â»Wie du willst«, sagte der Mann und ging davon.
    Steer wandte sich Monger zu. Der war jung, wirkte fahrig. »Kumpel, du liegst in meinem Bett.«
    Monger setzte sich auf. »Was?«
    Â»Deins ist da oben.«
    Monger machte den Mund auf und wieder zu. Am Ende nickte er, nahm sein Bettzeug und kletterte auf das obere Bett, weit weg von Boden und Klo, nach oben, wo sich die Furze stauten — für Steer schlagender Beweis, dass Monger zum ersten Mal einsaß.
    Steer machte es sich bequem. Beim Mittagessen wurde er Zeuge, wie Monger noch mehr zugesetzt wurde. Er saß direkt hinter Monger an einem zerschrammten Tisch und beobachtete, wie Bence und ein zweiter Mann rechts und links von Monger Platz nahmen und ans Werk gingen.
    Zuerst lehnte sich Bence vor. Er befummelte Mongers Uhrarmband. »Hübsch.«
    Steer sah, wie Monger den Arm zurückriss.
    Â»Immer mit der Ruhe«, sagte Bence. »Hab nur mal geguckt.«
    Monger nickte schwach.
    Â»Hast du vielleicht was zu rauchen?«, fragte der andere. »Ich sitz auf’m Trocknen.«
    Monger hatte seine Knastunterweisung wohl schon hinter

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