Niederschlag - ein Wyatt-Roman
hatte. Man hatte eine stürmische See vorausgesagt und das war für Liz der entscheidende Faktor.
Sie hatte direkt neben ihm gestanden, auf die Karte gestarrt und war mit dem Zeigefinger die Küstenlinie von Victoria entlanggefahren, von Wilsons Promontory bis zum Riff bei Port Philip Heads und weiter nach oben, in die Bay Richtung Port Melbourne. »Handelt es sich um einen starken Sturm?«, hatte sie gefragt.
»Ich möchte nicht zu seinem Spielball werden.«
»Und ... was machen wir?«
»Irgendwo vor Anker gehen, bis der Sturm vorbei ist.«
»Wo?«
Sie liebte seine Hände. Mit einem Finger, der schlank, beinahe dürr war wie ein dem Wind und Wetter ausgesetzter Zweig, hatte Wyatt auf die Karte getippt. »Der Westernport-Yachthafen bei Hastings. Wir können dort um vier Uhr morgens anlegen.«
Liz erinnerte sich, dass sie â um seine Reaktion zu testen â gesagt hatte: »Ich könnte CIB-Detectives anrufen, damit sie kommen und uns in Hastings abholen. Ist doch nicht nötig abzuwarten, bis der Sturm sich gelegt hat.«
Wyatt hatte geschwiegen, sein Gesicht pure Teilnahmslosigkeit, eine Miene, die er nach Belieben aufsetzte. Sie hatte nichts verraten und bei Liz für Verdruss gesorgt.
»Wyatt? Wir müssen darüber reden.«
Aber er hatte weiter auf die See hinausgestarrt, verschlossen und düster, mit lauernder Wachsamkeit unter der Oberfläche. Ungeduldig hatte sie gesagt: »Willst du den Rest deines Lebens auf der Flucht sein, dich verstecken? Du kommst mit mir und ich bezweifle, dass du überhaupt ins Gefängnis musst.«
Bei der Erinnerung daran wand sie sich förmlich auf ihrem Stuhl. Er musste sie entweder für naiv oder für doppelzüngig gehalten haben. Aber sie hatte weitergemacht, ihn bedrängt, auf ihn eingeredet. »Mit deiner Zeugenaussage kann ich alles aufklären.«
»Ich hatte nichts mit Springett und seinen Aktivitäten zu tun.«
»Nicht direkt, aber vielleicht â «
»Also kann ich dir nicht helfen.«
»Du meinst, du willst mir nicht helfen.«
»Ganz sicher will ich dir nicht helfen, mich in den Knast zu bringen.«
Unversehens hatte sich eine Welle aufgetürmt, sie hatten dagegen angekämpft, waren in Schräglage geraten, hatten in dieser Position verharrt und mit einem Krachen zurück in die Horizontale gefunden. Liz hatte gespürt, wie ihre Zähne aufeinanderschlugen. Wyatt hatte mit dem Steuer gerungen, bis sie wieder durch das Auf und Ab der unruhigen See hatten segeln können. Im unwirklichen Licht der hereinbrechenden Dunkelheit hatten sie die Küstenstädte ausmachen können. Danach war es schlagartig dunkel geworden und die See rauer.
Die Yacht war heftig vom Kurs abgekommen. Als das wieder korrigiert war, hatte Wyatt gesagt: »Mach Springett besser los, die Handschellen brechen ihm sonst noch die Gelenke. AuÃerdem könnte er uns hier oben helfen.«
Sie hatte es getan und Springett war an Deck gegangen und direkt in eine schäumende Welle geraten, die über den Bug gedonnert war und ihn mit sich riss. Liz hatte das zu schaffen gemacht. Wyatt hingegen hatte keinerlei Regung gezeigt, und als er erst einmal in der Westernport Bay ruhigere Gewässer gefunden hatte, war er sogar in die Kajüte gegangen, um ihr etwas in den Kaffee zu tun.
»Haben Sie mich verstanden, Sergeant Redding? Von Freitag an sind Sie suspendiert. In der Zwischenzeit stehen Sie bitte für weitere Befragungen zur Verfügung.«
Liz blinzelte, als erwache sie aus einer Narkose. »Ja, Sir.«
Sie verlieÃen alle drei den Raum. DrauÃen, auf dem Korridor, roch es nach dem Desinfektionsmittel, mit dem die Putzkolonne gewischt hatte. Lizâ Kopf fühlte sich so schwer an. Bevor sie es verhindern konnte, war sie gegen Montgomery getaumelt. Sie stieÃen mit den Schultern aneinander und sprangen augenblicklich zur Seite.
»Gehen Sie nach Hause und ruhen Sie sich aus, Sergeant.«
In diesem Gebäude, wo es nie still war, wo immer Telefone klingelten und Türen aufgestoÃen und zugeschlagen wurden, zwang Liz Montgomery, stehen zu bleiben und sie anzusehen. »Aber ich habe Springett das Handwerk gelegt, Sir. Ich habe ihn in Gewahrsam genommen, einen korrupten Polizisten, einen leitenden Beamten. Das sollte doch sicher zählen.«
Gosse, der ihnen lautlos folgte, drängelte sich zwischen sie. »Sergeant, wenn wir die Juwelen
Weitere Kostenlose Bücher