Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
Vom Netzwerk:
ist nur ... Sie gefallen uns. Was die anderen betrifft, das sind alte Knacker. Die betrachten das Ganze nur als ein weiteres Investment. Sie haben keinen Sinn dafür, keine Romantik in den Adern. Jemand wie Sie, der ein Ohr hat für diese Geschichten, bereit ist, mit uns hinauszufahren und zu tauchen, der offen ist und uns nicht mit Anwälten und Buchhaltern die Zeit stiehlt ... so jemanden wollen wir als vierten Investor.«
    Raymond schwieg. Er spürte, wie sein Magen verkrampfte, ein Gefühl der Beunruhigung, dass er etwas verpassen könnte, wenn er nicht schnell handelte.
    Sie fuhren über die Eisenbahnschienen in den Außenbezirken von Hastings und Vallance dirigierte Raymond zu einem Apartmentkomplex, vier identische Blöcke, etliche Straßen vom Hafenviertel entfernt. Es war ein heruntergekommenes Apartment, hässlich und klein, und Raymond wurde immer weniger schlau aus den beiden. Sie packten aus und fuhren zu einem Café nahe des Yachthafens. Eine Stunde verging. Dann die zweite. Sie plauderten über dies und das. Raymond vermutete, dass Allie und Vallance das Thema seiner Investition in ihr Unternehmen feinfühlig vermieden, um ihn nicht zu verwirren oder unter Druck zu setzen. Schließlich gaben sie ihm Gelegenheit, die Sache zu überdenken, erklärten, sie müssten jetzt mit ihrem Freund Quincy die Details besprechen.
    Raymond bestellte noch einen Kaffee und streckte die Beine von sich. Möwen kreisten über den Tischen, von der Marina drang das Klimpern der Takelage vertäuter Boote herüber. Raymond blinzelte und musterte den Mann, der missmutig auf die mit Kreide beschriftete Menü-Tafel starrte.
    Â»Onkel Wyatt?«, fragte er. So hatte er früher den Bruder seines Vaters genannt.

NEUN

    Es war lange her, dass Wyatt so angesprochen worden war. Er kannte nur eine Person auf der Welt, die ihn so genannt hatte, doch Wyatt glaubte nicht an Zufälle und reagierte nicht, nicht bevor er die Stimme mit Hilfe des Spiegels über der Kasse einer Person zuordnen konnte. Doch auch jetzt reagierte er nicht. Vielmehr hakte er eine Liste seiner Sinneseindrücke ab, die die Atmosphäre des Städtchens, des Yachthafens, des Cafés wiedergaben. Der Laden schien in Ordnung: Dudelmusik, Segler beim Müßiggang, Touristen, das Klappern von Kaffeegeschirr. Schließlich sagte er: »Ray?« und drehte sich zu seinem Neffen um.
    Raymond erhob sich von einem Plastikstuhl und grinste unsicher. »Ist ’ne ganze Weile her.«
    Wyatt war bestürzt. Es war, als stünde sein Bruder vor ihm, schlaksig, feingliedrig, etwas linkisch, mit einem sympathischen Grinsen. Doch was Wyatts Bruder betraf, hatte dieses Grinsen immer auch einen bitteren Groll kaschiert. Vielen, auch Rays Mutter, war das nicht aufgefallen, bis es zu spät gewesen war.
    Wyatt ging auf Ray zu und schüttelte dem Jungen die Hand.
    Â»Ray.«
    Junge — er war kein Junge mehr. Wäre dies eine normale Situation gewesen und Wyatt ein normaler Mensch, hätte er vermutlich etwas gesagt wie: »Du hast ja einen ordentlichen Schuss gemacht« oder »Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, konntest du gerade mal über den Tisch schauen«, aber Wyatt hatte nichts übrig für Plattitüden.
    Stattdessen sah er seinen erwachsenen Neffen an und fragte: »Was treibt dich hierher?«, sich seines misstrauischen Untertons durchaus bewusst.
    Der entging auch Raymond nicht. »Keine Sorge. Ich bin dir nicht auf den Fersen, falls du das denkst. Ich bin mit Freunden hier.« Er suchte nach dem passenden Ausdruck. »Ein Angelausflug. Und du? Machst du Urlaub?«
    Wyatt kam in den Sinn, dass er noch nie Urlaub gemacht, sich allenfalls Auszeiten genommen hatte, längere Phasen des Nichtstuns und der Regeneration zwischen zwei Fischzügen, Entspannung, was den Körper betraf, nicht aber den Kopf. Immer war der nächste Coup zu planen für die Zeit danach, wenn das Geld ausging. Fast schon schüchtern klopfte er seinem Neffen auf die Schulter. »Schön, dich zu sehen.«
    Es schien, als freue sich Raymond darüber. »Setz dich doch«, sagte er und gab der Bedienung ein Zeichen. »Bier? Oder etwas Hochprozentiges?«
    Wyatt schüttelte den Kopf. »Für mich nicht.«
    Raymond wurde ernst. »Arbeitest du an einer Sache?« Dabei glitt sein Blick über den Yachthafen, als wären dort Banken und Geldtransporter aus dem Nichts

Weitere Kostenlose Bücher