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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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voller Abgase und Echos, die Autos aufgereiht wie Tabletten in einer Pillenpackung. Das ältere Ehepaar fuhr einen blauen Golf.
    Â»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, sich mit zwei tatterigen alten Narren da hineinzuzwängen«, sagte die Frau, »würden wir Sie gerne mitnehmen und irgendwo absetzen, nicht wahr, Charlie?«
    Â»Selbstverständlich.«
    Wyatt rieb sich seine Stirnglatze und gab den Verlegenen.
    Â»Oh, ich bin sicher, Sie wollen nicht — «
    Â»Seien Sie nicht töricht«, widersprach die Frau. »Wir wohnen in Hawthorn. Wir könnten Sie direkt in der Stadt absetzen.«
    Â»Wenn das so ist«, sagte Wyatt, »nehme ich Ihr freundliches Angebot gerne an.«
    Um 8 Uhr 30 verließen sie das Hafenviertel. Wyatt fühlte sich sicher. Zu Fuß hätte er sich weniger sicher gefühlt, zu viele Augen, die ihn beim Verlassen der Fähre hätten beobachten können.
    Er wusste nichts vom Tagesablauf seines Neffen. Außerdem sollten seine Informationen umfassender sein als die, die Raymond letzte Woche geliefert hatte. An der Bourke Street verabschiedete sich Wyatt mit einem Winken von dem älteren Ehepaar und hielt anschließend ein Taxi an, das ihn zur University of Technology in West Heidelberg fuhr.
    Zwanzig Minuten später stapfte er über eine breite Rasenfläche zum Zentrum des Campus. Laut Lageplan am Haupteingang war die R.J.L. Hawke School of Burmese Studies ein Gebäude westlich der Rasenfläche.
    In der Nähe eines Teiches setzte er sich auf eine Bank, streckte die Beine von sich und genoss die Sonne. Es waren nur ein paar Studenten unterwegs und noch weniger Lehrkräfte. Früher hatte die Universität nur die Bezeichnung »Institut für Technologie« gehabt und allem Anschein nach hatte der Begriff »Technologie« die kreative Hand des Architekten geführt, denn alle Gebäude hier waren hässliche Zweckbauten. Angesichts dieser öden Architektur würde sich niemals ein Geistesblitz entwickeln. Die Bauten stammten aus den Sechzigerjahren, graue Bunker inmitten ungepflegter Eukalyptusbäume. Hier und dort war eine Wand mit Kieselrauputz verkleidet oder mit glänzenden rosafarbenen und grauen Keramikplatten, Ergebnis eines längst überkommenen Bestrebens, stilistisch Akzente zu setzen. Doch im Großen und Ganzen war die Atmosphäre eher niederschmetternd. Niemand lief eilig durch die Gegend, pfiff oder schlenderte locker daher, niemand führte ernsthafte Gespräche mit einem Kommilitonen. Wyatt stellte sich die trockenen Vorlesungen und Seminare vor, die Lehrkräfte, demotiviert vor dem Hintergrund der Budgetkürzungen und ihrer unsicheren Stellen, das Ganze gekrönt von permanenter Stichelei im Sinne von: »Es ist keine Universität — es ist nur eine technische Hochschule«.
    Er sah hinüber zur School of Burmese Studies. Sie vermittelte den Eindruck, als habe man notdürftig mit einem neuen Dach und viel Rauchglas oberflächliche Brillanz schaffen wollen. Die Handwerker waren noch beim Renovieren der Innenräume. Wyatt beobachtete, wie sie mit Verlängerungskabeln, Rigipsplatten, Farbeimern und Leitern zwischen einem provisorischen Materiallager hinter einem Sicherheitszaun gegen Wirbelstürme und dem Gebäude hin- und herliefen. Im Gebäude hatte man den Strom abgeschaltet. Der Baustrom floss durch ein mit der Hauptstromleitung verbundenes Kabel, das sich wie eine dicke schwarze Schlange um einen Holzpfahl wand, der vorübergehend im Rasen vor dem Sicherheitszaun steckte.
    Das reinste Chaos. Wyatt gefiel das. Er nahm das Gebäude eingehender ins Visier. Ein halbes Dutzend verschiedener Handwerkssparten hatten ihre Leute vor Ort. Neben den üblichen Werkzeugen waren sie umgeben von Spezialausrüstungen, Baumaterialien und Fahrzeugen. In einer Ecke des behelfsmäßigen Materiallagers lag ein Stapel Rigipsplatten unter einer Abdeckplane. In einer anderen stand eine transportable Blechhütte. Durch die offene Tür konnte Wyatt Farbeimer erkennen. Der Zulieferer für die Klimaanlage hatte eine dritte Ecke in Beschlag genommen und seine galvanisierten Leitungsröhren, Winkelbeschläge, Gitter und diverser Kabelkanal lagen überall verstreut, als sollte die Erde beim Ausatmen unterstützt werden. Es gab Leitern, jede Menge Kupfer- und PVC-Rohr und Kabelrollen. In der vierten Ecke stand ein Bauschuttcontainer, der überquoll mit Rigipsresten,

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