Niederschlag - ein Wyatt-Roman
Institution ist nichts Persönliches im Spiel. Bei einem Partner schon, und wenn er so ist wie ich, wird er dich aufspüren.«
Raymond zuckte mit den Achseln. Es war die Geste eines eingeschnappten Teenagers, der einen Erwachsenen herausfordern wollte. »Wir könnten die Gemälde auch nutzen, um in Koks zu investieren oder in Heroin aus Thailand, warum nicht? Wir verschneiden und verkaufen es, machen so locker eine Million, wenn nicht sogar mehr.«
Wyatt ging an die Decke. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, als er Raymond am Hals packte. »Keine Drogen.«
»Beruhige dich, Onkel. War nur ein Scherz.«
»Nie und nimmer deale ich mit diesem Zeug.«
»Vielleicht solltest du mit dem Strom schwimmen. Du bist nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit.«
Wyatt wusste, dass sein Neffe nur provozieren wollte. Dennoch überkam ihn ein befremdliches Gefühl. Am liebsten hätte er die Vernunft in seinen Neffen hineingeprügelt. Hätte es sich nicht um Raymond gehandelt, wäre Wyatt gegangen.
Aber er schwieg und lieà die Erregung abflauen.
Wyatts eisiges Starren verfehlte seine Wirkung auf Raymond nicht. Er fühlte sich unbehaglich. »Tut mir leid, sollte ein Witz sein. Ich nehme keine Drogen oder so.«
»Gut.«
Sie schwiegen.
»Warum ziehst du keine groÃen Sachen mehr durch?«, fragte Raymond nach einer Weile, ernsthaft interessiert. »Hast du genug auf der hohen Kante und machst es nur so aus SpaÃ? Diese Bilder, fünfzig Riesen â das ist doch nicht dein Stil.«
Wyatts Antwort kam spontan. »Ich bin müde.«
Raymond starrte ihn an und runzelte die Brauen. Etwas panisch und verwirrt zugleich, als habe sein Onkel eine nackte, unumstöÃliche Tatsache des Lebens formuliert, stieà er hervor: »Du? Unvorstellbar.«
»Nun, nicht unbedingt müde«, räumte Wyatt ein. »Aber es gibt zwei Faktoren, die gegen mich arbeiten: Technik und Zeit. Es wird immer schwieriger, irgendwo einzubrechen, und die Leute, denen ich vertrauen konnte, sind alle tot.«
Als wolle er Wyatt aufmuntern, klatschte Raymond in die Hände und sagte: »Ich lass dich nicht im Stich.«
»Gut. Es wird Zeit, diesen Chaffey zu informieren.«
Raymond fixierte die Wand und verzog das Gesicht, als kämen ihm üble Gedanken. »Chaffey?«
»Es ist sein Coup«, sagte Wyatt mit einem Stirnrunzeln. »Keine Lust, ihn zu sehen, oder was?«
Raymond erwiderte vage: »Geht schon klar, kein Problem.«
Raymond rief Chaffey an und Wyatt bemerkte, wie er gleich zur Sache kam, Chaffey das Wort abschnitt und lediglich einen Treffpunkt von ihm hören wollte.
Es waren die Anlagen von Montsalvat, der Künstlerkolonie in Eltham. Chaffey hatte eine Karte für ein Jazzkonzert am Nachmittag und wollte sich mit Raymond und Wyatt auf einem Grashügel oberhalb der Konzerthalle treffen. Wyatt kam dieser Treffpunkt gelegen, nur Raymonds Stimmung war auf der Fahrt durch die hügelige Landschaft wieder umgeschlagen, eine Art Rückfall in den nervösen, unkonzentrierten Zustand vom Morgen, als wären die Bäume, Senken und Schluchten von Dämonen bevölkert.
Aber der Job und Chaffey hatten für Wyatt jetzt oberste Priorität. Wyatt taxierte den gewaltigen Mann, bemerkte seine ungesunde Gesichtsfarbe, den pfeifenden Atem, den schweiÃfeuchten Nacken und die ebenso feuchten Brauen, dann suchte er nach einem Hinweis in Gesicht und Augen, nach einem Vorboten, der ihm riet, von der ganzen Sache die Finger zu lassen.
Es verblüffte ihn, dass Chaffey ihn einer ebenso kritischen Musterung unterzog. »Hab gehört, dass Sie neulich mittendrin waren in einer Polizeiaktion.«
Wyatt wartete einen Moment, dann sagte er: »Weià die Polizei, dass ich es war?«
»Ja.«
»Ist das alles, was die wissen?«
»Ja.«
»Und wie haben Sie davon erfahren?«
»Ich bin Anwalt, Mann«, erwiderte der korpulente Mann. »Ich erfahre so manches.«
»Ich bin hier«, sagte Wyatt. »Sie haben keinen Boden gutgemacht.«
»Bin froh, das zu hören«, sagte Chaffey. In seinen Bewegungen lag Entschiedenheit, als er jetzt nach einem Aktenkoffer griff, ihn in das Gras zwischen ihnen legte und mit der Hand draufschlug. »Den nehmt ihr mit, wenn ihr geht. Darin ist eine Liste mit den Werken, die mein Klient haben will, ihre Formate und Grundrisse des Gebäudes.«
»Ihr Klient will nur einige der
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