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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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ins Badezimmer. In der Badewanne entzündete er ein Feuer damit und als nur noch ein Aschehaufen übrig war, spülte er alles mit der Handdusche weg, seine eigene lange Karriere und die kürzere seines Neffen.
    Er ging wieder zu Raymond. »Jetzt fängt dein Leben ganz von vorne an«, sagte er, als hätte die Vergangenheit auf nichts jemals einen Einfluss gehabt.
    Â»Du Mistkerl.«
    Â»Du musst jetzt allein klarkommen. Ich bin raus aus der Sache. Du musst allein klarkommen.«
    Wyatt hatte es hitzig hervorgebracht, eine für ihn unbekannte Reaktion, als wären die Worte völlig unbedacht aus ihm herausgesprudelt.
    Angesichts dieser Worte reagierte Raymond leidenschaftlich. »Musste ich nicht immer allein klarkommen? Du hast mich und Mum im Stich gelassen. Du hast die Familie im Stich gelassen. Ich habe zumindest gedacht, dass ich dich wiedersehe, nachdem Mum gestorben ist, aber es war dir scheißegal, konntest ja nicht mal auf der Beerdigung erscheinen.«
    Zu diesem Zeitpunkt war Wyatt auf der Flucht gewesen. Erst Wochen später hatte er davon erfahren. Als er jetzt den Verdruss, die Enttäuschung und die verletzten Gefühle im Gesicht seines Neffen sah, bemühte er sich um Milde. Es sollte ein mitfühlender Blick werden, aber Wyatt verstand sich nicht auf Mitgefühl und etwas — seine gewohnheitsmäßige Skepsis, sein permanent gleichgültiger Blick auf die Welt — vermittelte Raymond genau das. Raymond drehte sich um und verließ das Zimmer.
    Wyatt ging ihm hinterher. »Erzähl mir von dem Ausbruch.«
    Â»Du bist noch hier? Ich denke, du hat wieder mal die Schnauze voll von mir«, sagte Raymond.
    Wyatt versuchte einzulenken. »Ich war zu voreilig und entschuldige mich dafür. Aber ich mag nun mal keine Überraschungen. Hat Chaffey die Flucht organisiert?«
    Raymond nickte.
    Â»Du hast es für Geld gemacht?«
    Â»Ja.«
    Â»Was weißt du über Steer?«
    Wyatt sah, wie sein Neffe mit den Achseln zuckte. »Was gibt’s da zu wissen? Chaffey ist sein Anwalt.«
    Â»Du weißt nichts über Steers Vorgeschichte? Chaffey hat dir nichts darüber erzählt?«
    Â»Nein. Warum sollte er? Was verbindet dich mit Steer?«
    Â»Ã„rger, mehr nicht«, sagte Wyatt. Steer war ein loses Ende, ein unter Spannung stehendes Stromkabel, das sich auf dem Boden schlängelte, etwas, worum man sich später noch kümmern konnte. Er ging in sein Zimmer und packte seine Tasche.
    Â»Also war’s das jetzt?«, fragte Raymond.
    Â»Was den Job angeht, hat sich nichts geändert. Aber wir müssen woanders unterkommen. Getrennt.«
    Â»Du machst Witze.«
    Â»Ich mache nie Witze.«
    Â»Solltest es vielleicht mal versuchen«, sagte Raymond.

    FÜNFUNDZWANZIG

    Vom Fahrersitz ihres Wagens aus beobachtete Liz Redding, wie Raymond Wyatt die Rampe der Tiefgarage hinunter auf sie zukam. Es war ein teures Motel in Parkville, und Raymond pfiff vor sich hin und ließ einen Schlüsselring um seinen Zeigefinger kreisen. Er ging direkt an ihr vorbei. Zwei Tage zuvor war sie ihm von seinem Apartment auf der anderen Seite der Stadt hierher gefolgt, aber jetzt sah sie ihn zum ersten Mal von nahem. Eine etwas trotzige Ausgabe des hageren Gesichts und der undurchdringlichen Augen eines Wyatt. Das gleiche schwarze Haar, nur trug er es länger, so lang, dass ihm Strähnen im Gesicht hingen, was bedeutete, dass er sie in einem fort mit der Linken zurückstrich. Die Hände: weniger wohlgeformt, nicht so langfingrig. Kompakter. Und obwohl sein Körperbau dem Wyatts ähnelte — groß, geschmeidig, durchtrainiert, mit enormer Schnelligkeit unter einer ruhigen Oberfläche —, fehlte es Raymond an Stärke und Vitalität. In Liz Redding formte sich ein Bild von diffusem Mut und großen, unbefriedigten Ambitionen.
    Sein Jaguar stand hinten in der Ecke. Liz startete ihren Wagen, rauschte die Rampe hoch, hinaus auf die Straße. Den Rückspiegel im Blick, ging sie vom Gas, fuhr langsamer, als suche sie nach einer Hausnummer. Keinesfalls wollte sie irgendwo stehen, wenn der Jaguar hinter ihr auftauchte. Sollte Raymond aufblendende Scheinwerfer an einem geparkten Wagen bemerken, der sich zudem hinter ihm in den Verkehr einfädelte, würde er vermutlich sofort wissen, dass jemand ihn verfolgte, und er würde versuchen, seinen Verfolger abzuschütteln. Natürlich könnte er auch links wenden. In

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