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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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nicht, offenbar spukten die Dämonen immer noch in seinem Kopf herum. Wyatt beobachtete, wie sein Neffe schweigend den Mund bewegte, konzentriert die Augen schloss und sie wieder öffnete.
    Â»Erledigt. Wo zum Teufel liegt Flowerdale?«
    Â»An der Nordküste, zwischen Burnie und Stanley.«
    Â»Ja, richtig, ’ne Menge Cafés und Nachtclubs«, sagte Raymond, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in den Aschenbecher. Sie starrten beide darauf. »Nehme an, ich soll ihn runterschlucken, oder?«
    Wyatt erwiderte nichts, hielt nur ein brennendes Streichholz an das Papier und ging hinüber zum Fenster, um über den Fluss und die Stadt zu blicken.
    Er liebte es, sich in der Nähe von Wasser zu wissen. Wasser bedeutete Leben für ihn, bedeutete verschiedene, einander widersprechende Dinge: Gerissenheit, Kraft, Rastlosigkeit und endlose Ruhe.
    Er hörte ein Stöhnen, drehte sich um und sah, wie Raymond, kalkweiß im Gesicht, seinen Bauch umklammerte. »Mein Magen spielt verrückt.«
    Â»Was Falsches gegessen?«
    Â»Vielleicht die Nerven«, sagte Raymond und grinste matt. »Nein, kein Grund zur Sorge, ich habe Nerven wie Drahtseile.«
    Â»Unten ist eine Apotheke.«
    Â»Gute Idee.«
    Raymond verließ die Wohnung. Wyatt stand eine Zeit lang da, stierte auf den Fluss und dachte über das Unternehmen nach, das vor ihnen lag. Ihm fiel die offene Tür zu Raymonds Schlafzimmer auf, er schlenderte hinüber und ging hinein. Der Junge war unordentlich. Wyatt wusste, dass Raymond eine Putzfrau hatte, also gab es vermutlich keine Veranlassung für ihn, Ordnung zu halten.
    Die Geldkassette stand etwas versteckt auf einem hohen Regal, unter einer Reisetasche aus Nylon. Der Schlüssel steckte. Es überraschte Wyatt, ein Polaroid von Steer dort zu finden, der kalt in die Kamera blickte, einen grinsenden Raymond neben sich. Die Aufnahme war nachts, in unmittelbarer Nähe von Bäumen gemacht worden. Er fand ein weiteres Foto von Steer. Hier hatte er die Arme um eine kleine Frau gelegt, deren breites Gesicht Bedrücktheit widerspiegelte. Die Frau hatte sich so eng an Steer geschmiegt, als wollte sie mit ihm verschmelzen.
    Wyatt langte tiefer in die Kassette. Zeitungsausschnitte, die mehrere Jahre alt waren. Einige Schlagzeilen erkannte er wieder: »Goldbarren-Raub am Flughafen« war älter und sie betraf ihn selbst. Jüngeren Datums waren die Zeitungsausschnitte über den Buschbanditen, die eine oder andere Passage mit gelbem Textmarker hervorgehoben.
    Und Zeitungsausschnitte über Steers Gefängnisausbruch.
    Als Raymond zurückkam, wurde er von Wyatt empfangen. Er presste ihm den Unterarm gegen die Kehle, drängte Raymond zurück und drückte ihn gegen die Wand. Mit rauer, leiser Stimme und drohendem Unterton sagte er: »Ich nehm meinen Arm jetzt weg. Ich werde dir ein paar Fragen stellen und du wirst antworten.«
    Ein gequälter Ausdruck stand in Raymonds aufgerissenen Augen. Mit Mühe bekam er ein Nicken zustande.
    Wyatt ließ ihn los. »Gut. Hast du Steer bei der Flucht geholfen?«
    Â»Ich?«
    Erneut drückte Wyatt den Unterarm gegen Raymonds Luftröhre, nur kurz, um gleich wieder loszulassen.
    Raymond keuchte. »Ja, habe ich.«
    Â»In den Zeitungen steht, dass eine Frau dabei war.«
    Â»Sie und ich.«
    Â»Wo ist Steer jetzt?«
    Raymond schluckte. »In Übersee. So war es abgesprochen. Ein Frachter von Lakes Entrance.«
    Â»Die Frau auch?«
    Â»Sie auch.«
    Â»Steer ist kürzlich vor einer Straßensperre geflüchtet, Raymond.«
    Â»Nun, ja, danach ist er wie geplant aufgetaucht, da, wo ich mich um seine Freundin gekümmert habe, und dann habe ich sie beide zum Frachter gebracht. Ich schwör’s.«
    Wyatt machte einen Schritt zurück. Er zerrte Raymond ins Schlafzimmer und drückte seinen Kopf in die Geldkassette, einmal, zweimal, als wäre Raymond ein Hund, der auf den Teppich gepinkelt hatte. »So verhält sich nur ein Amateur. Behält alle seine kleinen Erinnerungen, Briefe von Kumpels, Fotos, Zeitungsausschnitte, Zeug, das ihn mit allem, was er getan oder mit dem er zu tun gehabt hat, in Verbindung bringt. Das ist dumm, saudumm. Es bringt dich irgendwann in den Knast. Es ist sentimental und in diesem Spiel ist kein Platz für Sentimentalitäten. Verbrenn den Mist.«
    Â»Fick dich — «
    In kalter Wut sammelte Wyatt alles zusammen und brachte es

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