Niedertracht. Alpenkrimi
von ihr tauchten manchmal auf, verschwanden aber genauso schnell wieder. Ihm gefiel es hier in Cefalù. Er war mit dem Zug über Messina hinausgefahren und schließlich hier gelandet. Er hätte natürlich auch in diesem kleinen bergumstellten Alpenkurort bleiben können, in dem er unter falschem Namen übernachtet hatte. Auch dort hatte es ihm ausnehmend gut gefallen, aber das war ihm noch nicht weit genug weg gewesen von der Kieler Bucht.
Putzi. Putzi.
Und dass er dort auf dem – wie hieß das Ding noch? – Hupfleitenjoch ohnmächtig geworden war, hatte er für ein schlechtes Omen gehalten. Freundliche Leute hatten sich um ihn gekümmert. An einen von ihnen erinnerte er sich auch noch vage, zwar wusste er seinen Namen nicht, aber das Gesicht des vierschrötigen Mannes tauchte manchmal vor ihm auf. Dazu formte sich vage irgendein Wort, ein Begriff, eine Äußerung, alles jedoch viel zu undeutlich, als dass er etwas damit anfangen konnte. Hirngespinste, dachte er. Erinnerungsmüll. Schluss damit, jetzt ist Mittelmeer.
Eine der glutäugigen, dunkelhaarigen Schönheiten, von denen hier viele in den Liegestühlen lagen, kam auf ihn zu.
»Warum starrst du mich die ganze Zeit so an?«
»Ich habe dich nicht angestarrt.«
»Bei jeder Gelegenheit glotzt du zu mir her.«
»Du sitzt genau unter der Uhr. Außerdem wollte der Tisch hinter dir zahlen.«
»Lauter Ausreden.«
»Warum sollte ich dich anstarren? Ich stehe nicht auf glutäugige Dunkelhaarige mit Spaghettiträgern. Ich stehe auf sommersprossige Blonde. Auf hellhäutige Ostseesprotten. Die starre ich an.«
»Ist aber keine da, so eine Ostseesprotte.«
»Ja. Schade.«
Er schüttelte weiter seine Mixdrinks. Einen Brain Manager, einen Siciliano Cracker, einen Double Zombie. Ein bisschen tat es ihm schon leid um seine damalige Freundin. »Ja, hau nur ab, verschwinde! Und lass dich nie wieder bei mir blicken!« Er konnte sich nichts vorwerfen, er hatte ihre Worte ausnahmsweise einmal ernst genommen. Das hatte sie nun davon.
Ich bin der böse Putzi.
Freundliche Leute hatten sich um ihn gekümmert, er konnte nicht länger als eine halbe Stunde dagelegen haben. Langsam wurden ein paar verschwommene Bilder schärfer und deutlicher. Ein Gesicht tauchte vor ihm auf. Das Gesicht grinste unverschämt.
Der böse Putzi.
Das war der vierschrötige Mann, der sich um ihn gekümmert hatte!
»Was ist nun, bekomme ich jetzt meinen Flip?«
Ich bin der böse Putzi. Ein Faustschlag ins Gesicht. Hämisches Gelächter. Dann noch ein Faustschlag. Und ein dritter Schlag.
»Was hast du denn? Bedienst du mich nicht?«
Endlich konnte er sich die Geschichte zusammenreimen.
50
Nichts. Nirgends. Niemand. Nie.
Existentialistischer Jodler von Albert Camus
Karl Swoboda nahm ein paar Fünfhunderteuroscheine aus seiner Geldbörse und steckte sie dem verdutzten Jugendlichen in die Jackentasche. Nur die Augen waren verdutzt, sagen konnte er nichts, der junge Bursch, denn ein breites Klebeband spannte sich über seinen Mund. Ein breites Klebeband fesselte auch seine Hände. Breite Klebebänder sind vielseitig verwendbar.
»Und keine Angst«, sagte Swoboda. »Das Geld ist echt. Wenn du mir nicht traust, geh zur Bank und lass es überprüfen. Aber vorher zählst du langsam bis dreißig, dann kannst du dir das Klebeband vom Mund nehmen.«
Der Mann mit dem starken holländischen Akzent verschwand. Was sollte denn das jetzt? Er war an der Loisach spazieren gegangen, hatte mit seiner Freundin telefoniert, kaum hatte er aufgelegt, da wurde sein Mund auch schon gewaltsam verschlossen. Der Holländer hatte ihm das Telefon aus der Hand gerissen, ihn zu Boden gestoßen, die Hände gefesselt und sich ein paar Schritte entfernt. Nach zwei kurzen Telefonaten hatte er ihm das Mobilfunkgerät wieder zurückgegeben. Achtundzwanzig, neunundzwanzig, frei. Er zerriss die Klebebänder und griff sofort in die Tasche. Vier Fünfhunderteuroscheine. Als Leihgebühr für fünf Minuten Handybenutzung? Das konnte ja eine tolle Party werden heute Abend. Aber glauben würde ihm die Geschichte natürlich niemand.
Swoboda lachte in sich hinein. Dieser Jennerwein war ein guter Typ, ein Mann, der sofort verstand, worum es ging. Kein Kieberer, der sich in bürokratischen Irrgängen verlor, kein Hosenscheißer wie viele Staatsbeamte heutzutage, sondern einer, mit dem man Tacheles reden konnte. Er stand nur auf der falschen Seite, dieser Jennerwein. Schade, dachte Swoboda. Aber was nicht ist, kann ja noch
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