Niedertracht. Alpenkrimi
mürrisch, Swoboda verstand das, niemand will gerne in der Gegend herumgeschickt werden. Aber es musste sein. Der Kommissar ging zu einem gemeindeeigenen Papierkorb, hob ihn etwas an und zog einen Zettel unter der Kante hervor. Er zog sein Jackett aus und hängte es locker über die Schulter. Jennerwein schien unbewaffnet zu sein. Trotzdem. Swoboda hatte eine kleine Corelli Lady Size eingesteckt. Er hasste Waffen. Aber gegen einen ausgewachsenen Hauptkommissar – man kann ja nie wissen.
Jennerwein las den schmutzigen Zettel. Er war mit Blockbuchstaben beschrieben, und das war in großer Eile geschehen.
WENN ICH AUSSER DIR NOCH WEITERE POLIZISTEN SEHE ,
BIN ICH VERSCHWUNDEN .
GEH ZUR WALLFAHRTSKIRCHE ST . ANTON .
SETZ DICH DORT IN DEN BEICHTSTUHL .
Wenn das der Felsnischenmörder ist, dachte Jennerwein, dann ist er schlauer, als ich gedacht habe.
Die kleine St.-Anton-Kirche lag etwas außerhalb, am Ortsrand, und sie hatte den großen Vorteil, dass sie mitten im Grünen erbaut worden war, im Wald, an einem sanften Hügel – dadurch gab es Fluchtmöglichkeiten in jede Himmelsrichtung. Man musste einen schmalen Weg zu einer Anhöhe gehen – keine Chance, mit Polizeifahrzeugen dorthin zu kommen. Im Inneren der Kirche fand gerade eine Messe statt, die Sitzbänke waren bis auf den letzten Platz besetzt, sogar in den Gängen standen Menschen – man feierte heute das Fest eines Heiligen. Die Messe war beim Gloria angekommen, als Jennerwein sich durch die Gläubigen schlängelte. Schon von weitem sah er den Beichtstuhl, aus dem ein Tüchlein in der durchaus unliturgischen Farbe Oranje-Orange hing. Jennerwein steuerte darauf zu und schlüpfte hinein. Es war dunkel und muffig dort drinnen.
»In nomine patris et filii et spiritus sancti –«, begann der Mann auf der anderen Seite des dunklen Gestühls, und Jennerwein dachte schon, dass er sich in den falschen Beichtstuhl gesetzt hatte.
»Brav, Jennerwein, brav«, flüsterte der falsche Holländer. »Du hast bisher alles richtig gemacht. Das ist auch gut so, sonst musst du auf meine Mithilfe leider verzichten.«
»Hören Sie auf, mich zu duzen«, sagte Jennerwein.
»Wie darf ich Euer Hochwohlgeboren dann nennen?«, flüsterte der Unbekannte spöttisch. »Ziehen durchlauchtigster Criminalkommissär die Anrede
Sire
vor?«
»Schluss mit dem Unsinn. Wo ist das Kind?«, presste Jennerwein im Flüsterton heraus.
»Erst einmal zwei andere Punkte. Die Gemüsehändlerin Altmüller, die hat mit dem Falschgeld nichts zu tun.«
»Um mir das zu sagen, treiben Sie den ganzen Aufwand? Frau Altmüller haben wir längst in der Mangel.«
»Die war es aber nicht. Ihr müsst nach folgendem Mann suchen: Italiener, vierundzwanzig, klein gewachsen, heißt Luigi Odore, ist ein Neffe von Paolo Respighi, von dem habt ihr sicher ein Bild im Archiv. Der Luigi schaut genauso aus wie der junge Paolo. Hat jede Menge Falschgeld bei sich, ist auffällig stark parfümiert, sicherlich am ganzen Körper. Er wohnt vermutlich im Forsthotel Klammrauschen, das liegt oberhalb der Partnachklamm. Hast du dir das alles merken können? Ich wiederhole es nochmals für dich.«
Draußen beendete der Pfarrer gerade eine Lesung aus der Apostelgeschichte, dann sang die Gemeinde ♫ Was der Herr tut, das ist wohlgetan … Der Holländer wiederholte den Steckbrief von Odore.
»Und jetzt das Kind«, sagte Jennerwein.
»Kusch, Ihro Durchlaucht«, flüsterte Swoboda. »Ihr kümmert euch also um diesen Odore, ich verlasse mich drauf. Zu dem Kind komme ich gleich. Zuerst machst du noch Folgendes, mon commissaire. Du greifst jetzt in deine Hosentasche und holst dein Tücherl heraus.«
»Ich habe kein Tücherl.«
»Doch, du hast eines. Auf dem Weg zum Café hast du eines herausgezogen und dir damit die Stirn abgewischt. Das war aber auch eine Hitze! Genau dieses Tücherl holst du heraus, knüllst es zusammen und schiebst es durch die kleine Öffnung, da gleich rechts neben dem Gitter. Mach schnell, das Sanctus beginnt gleich.«
Die stimmgewaltigen Barden in den abgewetzten Gestühlen sangen etwas von Hirten und Schafen. Jennerwein fragte sich nach dem Sinn dieser Aktion. Auf seine Fingerabdrücke konnte er ja wohl nicht aus sein, ein Taschentuch war dafür denkbar ungeeignet. Hatte er es auf DNA -Material abgesehen?
»Wollen Sie mich klonen?«
»Die Gags mache ich, dass das klar ist.«
Fast hätte Swoboda
Den Schmäh mach ich
gesagt. Sein Telefon rumorte in der Jackentasche, er zog es heraus und
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