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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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sah aufs Display. Wurde auch langsam Zeit.
     
    Jennerwein hatte sich schon vorher unauffällig im Beichtstuhl umgesehen. Der geheimnisvolle Holländer, der sicher keiner war, hatte auf der Seite Platz genommen, auf der sonst die Beichtkinder saßen, er selbst befand sich auf der Seite des Beichtvaters. An der Seitenwand hingen ein paar kleine Seidentücher an Haken, der Pfarrer konnte sich hiermit vermutlich die zitternden Hände trocknen, wenn er etwas gar zu Pikantes von der Metzgermeistersgattin erfahren hatte. Jennerwein fuhr vorsichtig in die Innentasche seines Jacketts, riss das Päckchen mit den sterilen Handschuhen auf und zog einen davon an. Er nahm eines der pastoralen Tüchlein vom Haken, griff mit der anderen Hand umständlich und raschelnd in die Hosentasche und schob dem falschen Beichtkind schließlich das noch falschere Tüchlein hinüber.
    »Lamm Gottes, der du trägst die Sünd’ der Welt –«, sang der Pfarrer draußen.
    »Perfekt«, flüsterte Swoboda drinnen. »Und jetzt pass genau auf. Ich werde dir nun geographische Koordinaten nennen, dort findest du das Kind. Siebenundvierzig Grad, siebzehn Minuten –«
    »– erbarm dich unser!«, psalmodierte der Pfarrer und linste in Richtung des Beichtstuhles. Hatte sich dort nicht etwas bewegt?
    »Kannst du dir das merken, Jennerwein? Finde das Mädchen. Viel Glück!«
     
    Das Hochamt hatte begonnen. Es klingelte dreimal, die Orgel schwieg, und alle knieten. Die wichtigsten Sekunden in der Woche eines römisch-katholischen Laien hatten begonnen. Da gab es ein Knacksen und Poltern, ein Rumpeln und Schlagen, ein Vorhang wurde zurück- und eine Tür aufgerissen. Aus dem Beichtstuhl stolperte ein Mann heraus, er schob einige der stehenden Gottesdienstbesucher beiseite und blickte wild um sich. Er lief nach vorn, zu einem Seitenaltar, dann rannte er, ohne sich zu bekreuzigen (geschweige denn niederzuknien und zu verharren), durch den Mittelgang, öffnete die Kirchentür und stürzte hinaus.
     
    Er blieb draußen stehen, blickte kurz um sich, dann zog er sein Telefon heraus.
    »Hier Jennerwein«, keuchte er. »Fragen Sie nicht lang, Ostler. Notieren Sie folgende Zahlen. 47 17 07 Nord und 11 13 29 Ost – haben Sie das? Dort befindet sich das Mädchen vermutlich. Machen Sie einen Hubschrauber startklar, den nächsten, der frei ist. Die Aktion hat absolute Priorität! Ich bin in fünf Minuten auf dem Revier.«
    »Mitten im Hochamt die Kirche zu verlassen!«, sagte der Mann, der in der ersten Reihe der Kirche saß und aussah wie Fürst Myschkin, genannt der Idiot. »Alles eine Folge von Rot-Grün.«

51
    Nix. Ninderscht. Koana. Nianet.
    Werdenfelser Stammtisch-Motto
    »Ein anderer Hubschrauber war nicht frei?«
    »Nein, alle waren in der Luft, Chef. Der hier ist gerade von einem Einsatz zurückgekommen.«
    »Man muss nehmen, was kommt.«
     
    So saßen sie nun in dem nigelnagelneuen Kampfhubschrauber VX 2–29 und flogen mit atemberaubender Geschwindigkeit durchs Loisachtal. Kommissar Jennerwein war als Letzter hineingesprungen, drinnen hatten ihn Ludwig Stengele, Johann Ostler und Nicole Schwattke schon erwartet. Auf den schlichten Blechbänken saßen acht Einzelkämpfer mit geschwärzten Gesichtern, laubumkränzten Helmen und Nahkampfspange auf der Brust.
    »Willkommen an Bord«, bellte Hauptmann Stecher. Er stand als einziger, hielt sich an einer Schlaufe fest, wie man sie aus der Straßenbahn kennt. Mit einer Straßenbahnfahrt war dieser Höllenritt aber beileibe nicht zu vergleichen.
    »Wo liegt der Koordinatenschnittpunkt?«, fragte Jennerwein schreiend. Der Lärm im Inneren dieses Kolosses war monströs.
    »Hinten am Zirlerberg«, schrie Stengele zurück. »Auf dem Martinsbichl im Bereich Martinswand.«
    »Das liegt doch schon in Tirol«, schrie Nicole. »Wir fliegen mit einem Bundeswehrkampfhubschrauber nach Österreich?«
     
    Bei solch einem Ungetüm, dessen Hülle rundherum schusssicher mit zentimeterstarker Panzerung bestückt war, war ein Blick durch die Fensterscheiben nicht möglich. Links und rechts hingen ein paar Soldaten mit Ferngläsern an den Türen. Hauptmann Stecher wies auf einen großen Bildschirm. Die vier Polizisten wankten hin wie seekranke Passagiere, standen davor und versuchten etwas zu erkennen.
    »Wir sind gleich am Ziel!«, schrie Stecher. »Das hier ist der Kopf vom Martinsbichl.«
    Man konnte eine Wand erkennen, die schroff nach unten abfiel. Oben sah man ein Aussichtsplateau mit großen Reisebussen im Hintergrund. Der

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