Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
Sie bitte? Hölleisen? Komische Namen haben Sie schon hier! Ihrer ist auch nicht viel besser, Fräulein.
     
    Sie ging zurück zum Bahnhof und zeigte das Foto jedem, der ihr über den Weg lief. Sie hielt es dem Schaffner vor die Nase, den Schalterbeamten, der Dame in der Bahnhofsbuchhandlung, den Angestellten in der Bahnhofsimbissstube, den herumlungernden Fahrschülern nach Mittenwald. Sie ging die Bahnhofstraße entlang und redete Passanten an. Sie betrat das Restaurant
Pfanndl
. Gehobene bayrische Tradition, nicht ihre Preisklasse, auch nicht ihr Geschmack, aber sie setzte sich in die glasüberdachte Brasserie. Menschen aus vergangenen Jahrhunderten saßen am Nebentisch. Ein Kaffee, ein Wasser, ein kleines Sandwich. Zahlen bitte, rief sie, und der uralte Kellner erschien mit einer Rechnung in Höhe des amerikanischen Verteidigungshaushalts. Ach ja, eines noch, Herr Ober: Kennen Sie diesen Mann? Nicht, dass ich wüsste. Sie ging in eine Buchhandlung, in ein Café, ins Rathaus. Sie verbrachte den ganzen Tag in dem Ort. Sie übernachtete in einer Pension, am nächsten Morgen lenkte sie ihre Schritte zum Krankenhaus, sicherheitshalber. Sie ging in Kneipen, Schnickschnackgeschäfte, Friseurläden, Pensionen. Dann stand sie vor einem der vielen Trachtengeschäfte. Sie zögerte. Eine lächerliche Vorstellung, dass er sich eine Tracht gekauft haben könnte. Halbherzig holte sie ihr Foto heraus und zeigte es der Verkäuferin des Modegeschäftes Berndanner & Söhne. Ja, der war hier. Sie musste sich setzen. Der Satz war leise und beiläufig gesprochen, aber sie hörte ihn in Times New Roman Schriftgröße 120, fett, unterstrichen.
     
    Sie japste. Wann? Wann war er hier? Vor ein paar Wochen, ich kann mich genau erinnern. Sind Sie sicher? Ja freilich, der hat bei uns eine feste Wetterjacke gekauft. Sehen Sie, so eine! Die Verkäuferin wies auf einen Kleiderständer mit bunten Jacken. Sind Sie ganz sicher? Ja freilich, er war so fröhlich, so befreit, ein sonniger Typ. Wie bitte – fröhlich und befreit? War er denn allein? Diesen Satz hatte sie sich verkneifen wollen, da war er ihr herausgerutscht. Jetzt schwebte er herum, der Satz, zwischen all den Lodenjoppen und Hirschhornjacken. Die Verkäuferin grinste: Ach so ist das. Sie fasste sich wieder. Wissen Sie, wo er danach hingegangen ist? Nein, leider, wissen Sie, Fräulein, wir verkaufen Jacken und kümmern uns nicht darum, wo die Leute mit den Jacken hingehen, das müssen Sie schon verstehen.
     
    Sie verließ den Laden und stand in der Fußgängerzone des Ortes. Sie schnupperte, drehte sich herum, horchte tief in sich hinein, sie schloss die Augen, wollte praktisch den Weg erschnuppern, den er gegangen sein könnte. Sie drehte sich ein paar Mal um sich selbst, öffnete dann, bei einem gefühlten Jetzt! die Augen, so ähnlich, wie man es bei Flaschendrehspielen macht. Ihr erster Blick fiel auf den Wank, diesen klobigen Berg mit dem komischen Namen. Sie ging nochmals ins Trachtengeschäft. Geben Sie mir auch so eine Jacke. Oben auf dem Wankplateau war herrliches Wetter, sie war noch nie auf siebzehnhundertachtzig Meter Höhe gewesen, sie spürte die frischen und wechselnden, aus allen Windrichtungen kommenden Brisen.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche.«
    »Was gibts?«
    »Können Sie mir helfen? Mir ist nicht gut. Wahrscheinlich die dünne Luft. Und dann ohne Sonnenöl.«
    »Soll ich Sie stützen?«
    »Ja, bitte. Gleich da hinten ist eine Bank.«

21
    Den Weltrekord im Dauer-Jodeln hält der Österreicher Roland Roßkogler mit 14 Stunden 37 Minuten.
    Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde
    »Ja, wo jetzt genau? Auf dem Schindeltalschrofen oder dem Schachentorkopf?«
    »Allmächt! Sie fragen mich vielleicht Sachen! Die Namen der Berge weiß ich natürlich nicht mehr.«
    »Aber Sie müssen doch wissen, auf welchem Berg Sie gewesen sind!«
     
    Vier Tage war es jetzt her, dass ein Fax im Revier eingetrudelt war, mit dem brisanten Hinweis auf eine weitere unbewegliche Person auf dem Ettaler Manndl. Die Suche hatte bisher nichts ergeben, die Bergwacht hätte das Ettaler Manndl abbauen und in Disneyland auswendig wieder aufbauen können, so genau kannten sie es. Eine unbewegliche Person war nicht gefunden worden, dafür hatte sich jetzt ein neuer Zeuge gemeldet, der etwas gesehen hatte. Was heißt Zeuge, was heißt gesehen:
    Polizeiobermeister Hölleisen verlor langsam die Geduld mit dem fränkischen Mitbürger. Der nordbayrische Bergliebhaber war persönlich aufs

Weitere Kostenlose Bücher