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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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abgesucht. Und da hab ich die reglose Person gesehen.«
    »Ich brauch gar nicht zu fragen, wo das ungefähr –«
    »Nein, beim besten Willen nicht. Es war jedenfalls weit ab vom Weg.«
    »Und wie sind Sie dann heimgekommen?«
    »Das weiß ich auch nicht so genau. Zuerst bin ich immer bergab gegangen, auf einmal war eine Straße da. Dann hat mich ein Auto mitgenommen, und nach einer halben Stunde war ich im Hotel. Ich geh rein, und wer sitzt da? Der Dieter, die Tamara –«
    »Danke, Herr Heinlein, ich hab schon verstanden. Danke für Ihre Bemühungen.«
     
    Nachdem der Zeuge den Raum verlassen hatte, überlegte sich Franz Hölleisen, ob er die Befragung dieses Keinbergfranken überhaupt abtippen sollte. Er schaltete das Band aus. Er würde den Chef fragen. Jennerwein sollte sich das einmal anhören. Gerade als er zum Telefonhörer greifen wollte, klingelte es. Der Mann am anderen Ende der Leitung stellte sich mit Winterholler vor. Johnny Winterholler.
     
    »Um was geht es, Herr Winterholler?«
    »Grüß dich, Hölli!«
    »Wie bitte?«
    »Entschuldigen Sie, Herr – Hölleisen, aber wir sind ja eigentlich verwandt. Also deine Mutter – Ihre Mutter hat eine Halbschwester gehabt, die Rosi Hölleisen, und die hat einen Mann geheiratet, den Heinzi, der ihr aus der ersten Ehe ein Kind, den kleinen Wiggerl mitgebracht hat. Aus diesem kleinen Wiggerl ist dann mein Vater geworden.«
    »Du bist der Sohn vom Winterholler Wiggerl? So was! – Ja gut, jetzt aber weiter, was gibts?«
    »Ich war gestern auf der Friederspitze.«
    »Schön.«
    »Da habe ich einen komischen Typen rumschleichen sehen. Mir ist er deswegen aufgefallen, weil er – irgendwie kein Bergler war. Er war kein typischer Einheimischer, aber auch kein typischer Tourist. Er hat die Wände mit einem Fernglas abgesucht. Irgendwie ganz auffällig. Als er mich gesehen hat, hat er kehrt gemacht und ist in die andere Richtung weitergegangen. Er hat sich einfach weggedreht und ist abgehauen. Ich habe ihn immer nur von hinten gesehen. Aber irgendetwas an ihm ist mir bekannt vorgekommen.«
    »Bist ihm nach?«
    »Nein, so verdächtig war er mir auch wieder nicht. Aber auf dem Heimweg hab ich mir gedacht, das melde ich. Einsachtzig, graublaue Hose, altmodische, aber professionelle Bergschuhe, olivgrüner Rucksack, gelbliches Hemd, kurze Haare, Fernglas. Ich glaube, es war ein uraltes Liesegang-Fernglas, aber ich kann mich auch täuschen.«
    »Ja, ich hab alles notiert.«
    »Seid ihr denn schon weiterkommen?«
    »Mit der Leiche auf der Zugspitze? Äh ja, wir stehen kurz vor dem entscheidenden Durchbruch.«
    »So, so.«
    »Ja, ja.«
    »Gut, dann Servus.«
    »Servus. Ah, wart einmal, äh – Johnny!«
    »Ja, was ist denn noch, Hölli?«
    »Von wegen Leiche auf der Zugspitze: Das warst nicht zufällig du, der vor ein paar Tagen eine anonyme Meldung gemacht hat? So was wie:
leblose Person im oberen Teil der Wand der Schneefernerscharte …

    »Nein, warum sollte ich eine anonyme Meldung machen?«
    »Nur so.«
    Beide legten auf. Nachdenklich kratzte sich Franz Hölleisen am Kopf. Mit wem man hier im Kurort nicht alles verwandt war! Er schaltete den winzig kleinen Fernsehapparat an, der im Revier stand.
    »Was wollen Sie mit dem Gewinn machen?«, fragte Günther Jauch die Kandidatin gerade.
     
    Johnny Winterholler wollte das nicht wissen, er schaltete ab. Er goss heißes Wasser auf den verbotenerweise selbstgepflückten Misteltee. Dann blickte er drei Minuten nachdenklich aus dem Fenster seines Häuschens. Wolken senkten sich über den rötlich eingefärbten Waxenstein, es braute sich ein Unwetter zusammen. Eine Leiche in einer Bergwand? War das a) ein verunglückter Hobbykletterer, b) eine neue Art der Event-Bestattung, c) eine kühne Werbemaßnahme des Tourismusverbandes oder d) eine fehlgeschlagene Aktion organisierter Kriminalität? Der letzte Punkt beschäftigte Winterholler noch den ganzen Abend. Eine nicht einsehbare Felsnische als Gefängnis – dass da bei der RAF oder IRA nie jemand drauf gekommen ist! Das wäre doch ein idealer Platz, um ein verschlepptes Entführungsopfer solange am Leben zu halten, wie man es für die Freipressung von Gefangenen braucht. RAF , IRA , PKK , ETA  – spätestens nach seinem Millionengewinn musste er sich diese a) quartäre, b) quartale, c) quartologische, d) quaternäre Weltsicht wieder abgewöhnen.

22
    Jazzjodler, scat-singing
    Mein schönstes Wochenenderlebnis
    Am Sonntag bin ich mit meinen Eltern und meiner kleinen

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