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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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mehr auf der Straße. Tote Hose war der falsche Ausdruck, denn eine tote Hose flattert immer noch ein bisschen. Sie waren jetzt am Marktplatz angelangt, einem Zentrum europaweiter Erholung, jetzt schreiend still wie das Innere eines Neutronensterns. Sogar der unvermeidliche Stadtkern-McDonald’s schloss hier um halb elf abends, vermutlich war auch das europaweit einzigartig.
    »Hey, Flascherlgeist! Drah di’ um!«
    Swobodas Ruf hallte über den Platz. Er erhielt keine Antwort von dem schmalen Hemd, von dem Sizilianer, der vermutlich hier in den Ort gekommen war, um die Projektleitung wieder an sich zu reißen. Der halbseidene Luigi Odore, der wahrscheinlich sogar ohne Wissen Spalanzanis hier war – diesem Nudelaug’ würde er schon hineinhelfen in die Schuhe.
     
    »Ja, wen haben wir denn da?«
    Eine Hand griff nach Swoboda. Wie aus dem Nichts war sie aus der Hauswand gekommen, behaart, mit schmutzigen Fingernägeln, eine mit billigen Blechringen bestückte Hand. Ein übelriechender Zweimeter-Koloss gehörte zu der Hand. Im Hauseingang bewegten sich weitere vier oder fünf dunkle Gestalten, die jetzt langsam auf ihn zutraten. Sie trugen speckige Lederjacken mit abgeschnittenen Ärmeln, sie hatten kurzgeschnittenes Haar, und sie stanken nach kastenweise Bier und billigen Schnäpsen – Swoboda war sich schnell darüber im Klaren, dass das keine Mitglieder der ehrenwerten Familie waren, sondern ordinäre Radaubrüder.
    »Ja, wen haben wir denn da? Einen Spitzbart haben wir da!«
    Das schien der Anführer zu sein. Auf seine Lederjacke waren Buchstaben aufgeklebt: RITTER VON HALT . Irgendwann in letzter Zeit hatte Swoboda diesen Namen schon einmal gehört. Oder gelesen? Er konnte erkennen, dass jeder der vier Rabauken diesen Namen hinten und vorne auf der Jacke trug.
    »Wir sind die
Bewegung Fünfter August
! Und heute ist der fünfte August«, lallte der Anführer, die anderen grunzten nur. »Weißt du, wer heute seinen Todestag hat?«
    »Es ist doch erst Ende Juni, du aufg’stellter Mausdreck«, sagte Swoboda.
    »Für uns nicht!«, lallte der Armfreie weiter. »Also, wer hat heute seinen Todestag?«
    »Vielleicht der Ritter von Halt?«, riet Swoboda.
    »Steh gefälligst stramm, wenn du von dem Ritter redest.«
    Die jungen Burschen bildeten einen bedrohlichen Kreis um Swoboda. Sie waren auf Randale aus. Neonazis, und wahrscheinlich nicht einmal das so richtig. Sie hatten ihn jetzt so umkreist, dass eine Flucht kaum mehr möglich war. Ritter von Halt, was war das für einer? Swoboda hatte davon gehört, dass im nahen und lieblichen Murnau regelmäßig neonazistische Umtriebe stattfanden, die sich auf eine alte nationalsozialistische Tradition der Gemeinde am Staffelsee beriefen. Aus dem ganzen deutschsprachigen Raum reisten sie an, um ihre Thingfeste zu feiern. Karl Swoboda hatte eine Idee.
    »Ich bin Gruppenführer Edler von Seysenegg«, bellte er unvermittelt, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Artillerieregiment dreiunddreißig, ehemalige Legion Schladerer.«
    Immer noch markig, aber jetzt herablassend kameradschaftlich fügte er hinzu: »Aus der befreundeten österreichischen Ostmark. Rührt euch.«
    Lange hielt der Effekt nicht an, aber die Randalinskis stutzten, nahmen für eine Sekunde, ganz mechanisch, sogar irgendeine Art von verkrampfter militärischer Haltung an. Diese Sekunde nutzte Swoboda, er duckte sich, startete, flitzte katzengleich zwischen zwei der Lederjacken hindurch. Unter normalen Umständen hätte er keine Chance gehabt. Sie hätten nur ihre Arme ausstrecken müssen, um ihn zu fassen – aber das Bier hatte ihre Muskeln müde gemacht, schlapp und ungelenk griff die Bewegung Fünfter August, die sich hier im Kurort zum Todestag des unseligen Karl Ritter von Halt getroffen hatte, daneben. Zwei der Burschen strauchelten und fielen, ihr Wutgeheul glich dem eines Wolfsrudels auf einer treibenden Eisscholle. Swoboda gewann mit ein paar Schritten sicheren Abstand, dann hatten sie keine Chance mehr. Er hörte sie weiter durch die Nacht grölen: Dem Ritter von Halt, dem haben wirs geschworen. Swoboda sah sich um – und wäre fast Luigi Odore in die Arme gelaufen.
     
    Odore hatte die Szene wohl die ganze Zeit beobachtet und seine helle Freude daran gehabt, anscheinend hatte er nicht erwartet, dass Swoboda so gut aus der Sache herauskam. Jetzt rannte er schnell über den Platz, die Fußgängerzone entlang.
    »Italiener, greisliger!«, schrie ihm Swoboda nach und gab Gas. Diesen Katzelmacher

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