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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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musste er fassen. Er verschärfte das Tempo, irgendwann würde Odore die Luft ausgehen. Vor ihnen lag der Kurpark der Gemeinde, umzäunt, ummauert, nachts durch zwei auffallend große Sperrgitter gesichert. Odore würde nichts anderes übrigbleiben, als außen herumzulaufen, rechts oder links, in beiden Fällen würde Swoboda zum Schlussspurt ansetzen, sich auf ihn hechten und ihn fassen. Doch Odore lief direkt auf den Eingang zu. Was hatte der Italiener vor? Keine Chance, da durchzukommen, der Eingang war ganz sicher verschlossen. Doch Odore hatte nicht vor, den öffentlichen Eingang zu nehmen. Etwas seitlich stand – saubere Gemeinde! – ein großer blauer Müllcontainer, auf den Odore mit letzter Kraft kletterte. Er sprang von dort auf die Mauer und war im nächsten Augenblick im Inneren des Kurparks verschwunden.
    »Na wart’, Bürscherl, dir werde ich helfen!«, keuchte Swoboda wütend und setzte zu einem Anlauf an, sprang ebenfalls auf den blauen Müllcontainer, auf die Mauerbrüstung, wieder von ihr herunter, auf den moosigen Boden des Parks. Er hörte verräterisches Geraschel in der Nähe, Swoboda rannte in die Richtung, bekam jedoch nichts zu fassen, sah den Italiener vielmehr hinter einem Baum hervorgrinsen.
    »Ach sieh an, der Herr Problemlöser«, sagte Luigi Odore hämisch, und Swoboda fragte sich, woher er diese Frechheit, diese hämische, eigentlich nahm. Er blickte sich um und wusste sofort Bescheid. Dort hinten, in zehn Metern Entfernung, stand niemand anderes als Rocco ›Joe‹ Manzini. Der ehemalige Profikiller, jetzt tätig im Geschäftsbereich
Drugs & Arms Trade
, war durchaus nicht unbewaffnet, ganz im Gegenteil. Karl Swoboda saß in der Falle.

28
    J-Kurve: Nach einer negativen Entwicklung zu Beginn folgt ein lang anhaltender Aufwärtstrend
    War er ein Helfershelfer a) der Mafia, b) der Camorra, c) der ’Ndrangheta oder sogar d) der FIFA ? Johnny Winterholler brühte Misteltee auf, während er seinen Rucksack packte. Er hatte heute Abend noch eine Tour vor sich.
     
    Die Quizshow war zu Ende, und Johnny Winterholler zappte noch ein bisschen herum. Auf allen Kanälen kamen jetzt Nachrichten über die Leichenfunde im Kurort. Er wunderte sich, wie sehr sich die Berichte und Bilder glichen: Zuerst, als Einstieg, war immer eine grüne Wiese mit Kühen zu sehen, dazu Zithermusik: Achtung, Idylle! Dann wurde der Hubschrauber gezeigt, der mit einem Sack davonflog, aus dem ein Bergschuh herausschaute. Dazu schräge Musik: Gestörte Idylle, wegtreten. Er schaltete ab, ging in die Küche und nahm das Teenetz aus der Kanne. Ein unbehagliches Gefühl beschlich ihn. Innerhalb kürzester Zeit hatte es zwei Leichenfunde gegeben, bei denen sich die Kriminaler einschalteten. Hatten diese Vorfälle irgendetwas mit seinem derzeitigen Job zu tun? War er vielleicht in etwas Gröberes hineingeschliddert? Er drehte das Netz mit dem Misteltee um und entsorgte die ausgekochten Misteln sauber im Behälter für Kompostmüll. Hatte die namenlose Organisation die grausigen Funde auf den Bergen zu verantworten? Dieser wortkarge Kommissar Jennerwein hatte ein Interview gegeben.
    »Können Sie uns etwas über die Hintergründe der Anschlagsserie sagen, Herr Kommissar?«
    »Wir verfolgen zurzeit mehrere Spuren.«
    »Wohin führen diese Spuren?«
    »In alle Richtungen.«
    »Gibt es eine Spur, die besonders heiß ist?«
    »Ja.«
    »Können Sie uns mitteilen, wohin diese Spur führt?«
    »Nein.«
     
    Ein recht einsilbiger Zeitgenosse, dieser Kommissar Jennerwein. So, wie der aussah, hätte er auch Bergsteiger sein können. Winterholler lächelte. Er nahm einen Schluck Misteltee und verzog das Gesicht. Er hatte ihn viel zu lange ziehen lassen. Nein, das konnte doch nicht sein, dass dieser Österreicher, der vor ein paar Wochen bei ihm aufgetaucht war, ein gemeiner Mörder war, der seine Opfer in den Bergen aussetzte, um zuzusehen, wie sie elendig zugrunde gingen. Und um so etwas durchzuführen, musste man das Bergsteigen gut beherrschen. Der Österreicher hingegen sah überhaupt nicht danach aus. Überhaupt nicht. Andererseits: Woher sollte das viele Geld kommen, wenn nicht von einer kriminellen Organisation? Winterholler schob die müßigen Gedanken von sich. Denn wie auch immer, jetzt konnte er nicht mehr zurück. Was hätte er denn tun sollen? Zur Polizei gehen? Dem Österreicher einen Zettel hinlegen: ›Habe keine Lust mehr‹? Winterholler beruhigte sich wieder. Auf dem Küchentisch lag ein dicker Packen Geldscheine.

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