Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
Bergunfall? Das ist schon merkwürdig.«
    »Reine Routine, da bin ich mir sicher. Wir könnten ja mal ein paar Archicnephia auf ihn ansetzen. Dann sehen wir auch gleich, was der Hauptkommissar privat so treibt.«
    »Reizvolle Idee.«
     
    Man kam überein, an diesem lauen Juniabend nicht weiterzuarbeiten, denn die Dämmerung senkte sich bereits über den Talkessel. Man besuchte noch einmal das biologische Labor, das Treibhaus, die Kammer der Kuriere. Der Schwarm hatte sich verkleinert, viele hatten sich auf den Wänden und am Boden niedergelassen.
    »Im Dunkeln fliegen sie nicht?«
    »Doch, sie senden bloß nicht mehr so viele Kundschafter aus. Abends sind ihre Hauptfeinde unterwegs, die Vögel. Aber die Weibchen fliegen auch nachts und stillen ihren Durst an den schlafenden Wirtstieren.«
    »Drum schlafe ich in Zukunft immer auf dem Rücken«, sagte Swoboda.
     
    Die Dunkelheit bemächtigte sich des Anwesens. Drinnen wurde erzählt, draußen, im verwilderten Vorgarten, zwischen den zerfallenen Bienenstöcken, schlich eine Gestalt herum. Die Gestalt sah verdammt nach Luigi Odore aus.

27
    Den Weltrekord im Schnell-Jodeln hält der Schweizer Peter Hinnen mit zweiundzwanzig Jodeltönen in einer Sekunde.
    Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde
    Alois Schratzenstaller war zu Bett gegangen, Karl Swoboda hatte es sich am Küchentisch gemütlich gemacht. Er trank den letzten Schluck seines Weißbieres aus, als die Kirchturmuhr Mitternacht schlug. Er stand auf, ging zum Fenster, zog den Vorhang beiseite und lugte hinaus. Das Gelände war ungesichert, keine Schäferhunde umliefen es, kein Stacheldrahtzaun stand unter Strom, von waffenstarrender Security ganz zu schweigen. Aber das war auch gar nicht nötig, denn niemand wusste, dass sich etwas so überaus Wertvolles auf dem ehemaligen Imkerhof befand – oder zumindest interessierte sich niemand dafür. Noch nicht. Im Gegenteil, dachte Swoboda, es wäre sogar aufgefallen, wenn man jetzt mit Sicherungsmaßnahmen begonnen hätte. Swoboda öffnete das Fenster und lehnte sich weit hinaus in die schwüle Luft. ♫ Wenn ich mit meinem Dackel von Grinzing heimwärts wackel … Er beobachtete das Gelände, soweit das in der Nacht möglich war. Irgendetwas stimmte da draußen nicht. Es raschelte und knackte. Er schlüpfte in seine Turnschuhe und schlich aus dem Haus. Der verwilderte Garten Schratzenstallers wäre gerade heute das Nonplusultra eines romantischen und mondbeschienenen Nachtspaziergangs gewesen, Liebesschwüre lagen in der Luft, Glühwürmchen flimmerten, Katzen raunzten. Doch Swoboda war nicht romantisch zumute, er durchstreifte den Garten in anderer Absicht, sorgfältig und leise, wie Winnetou zu seinen besten Zeiten. Der österreichische Nachtindianer untersuchte den Boden sorgfältig nach abgeknickten Zweigen und frischen Trittspuren: nichts. Vielleicht hatte ihn sein Gespür auch getrogen. Er wollte gerade wieder ins Haus zurückgehen, als er aus dem Gewächshaus ein Geräusch hörte.
     
    Swoboda schlich näher. Im Inneren bemerkte er eine schnelle, schattenhafte Bewegung. Dort drinnen war ein Rechen oder ein anderes Gartengerät umgefallen, er meinte sogar einen unterdrückten Fluch gehört zu haben. Luigi Odore. Da drinnen trieb der Italiener sein Unwesen, da war sich Swoboda ganz sicher. Die ganze Aktion war viel zu auffällig angelegt, zu ungeschickt, sie roch nach einer Falle. Doch Swoboda machte durchaus nicht den Fehler, das Gewächshaus zu betreten. Er beschloss zu warten. Er wartete eine halbe Stunde und noch eine halbe Stunde.
     
    Die Kirchturmuhr schlug eins, da wurde die Tür mit einem krachenden, splitternden Geräusch aufgerissen. Die Angeln quietschten, der Kies spritzte auf. So schnell die Gestalt auch herausschoss und das Weite suchte, Swoboda erkannte Odore sofort. Er vergewisserte sich noch schnell, dass sich sonst niemand mehr im Gewächshaus befand und dass die Schleuse zum Insektarium unversehrt war, dann nahm er die Verfolgung auf. Der Schatten lief über das Grundstück, sprang über den morschen Zaun und hastete die kleine, unbelebte Straße entlang.
    Was wollte Odore hier? Nach zehn schweißtreibenden Minuten waren sie am Ortsrand. Sie überquerten die Loisach, sprangen über sauber gepflegtes Gebüsch, eilten an schwach beleuchteten Schaufenstern vorbei. Der odorische Schatten blickte sich manchmal hastig um, Swoboda konnte sein Keuchen deutlich hören.
     
    Natürlich war in einer Gemeinde wie dieser um halb zwei Uhr nachts kein Mensch

Weitere Kostenlose Bücher