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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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war klug genug, nicht zu warten, bis der Schlag saß. Bei Säugern dauerte es uuuuuuuunendlich lange, bis sie einen einmal gefassten Entschluss durchführten. Sie flog durchs offene Fenster hinaus. Sie war ohnehin nicht mehr durstig. Und sie hatte eine perfekte Baustelle vorbereitet. Sie flog vom Rathaus weg Richtung Westen, flog direkt auf das Kramermassiv zu,
flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus
, steuerte schließlich ein verwildertes Grundstück an, zwängte sich durch eine trichterartige Röhre, setzte sich auf einen Stein und begann vor ihren Kameradinnen zu tanzen.
     
    »Give me five!«
    Eine halbe Stunde später klatschten die Handinnenflächen zweier Männerpratzen aneinander, dass es nur so krachte. Alois Schratzenstaller und Karl Swoboda hatten in der Tat etwas zu feiern, hatten sie es doch geschafft, keinen Geringeren als den Ersten Bürgermeister der Marktgemeinde zu lokalisieren. Die Archicnephia hatte dessen Position genau beschrieben. Es dauerte nicht lange, da ließen sich auch andere Tiere auf dem Stein nieder und bestätigten die Koordinaten des Bürgermeisters, draußen musste sich bereits die gewünschte Pheromonkette gebildet haben, die garantierte, dass man, mit einer kleinen Verzögerung, immer auf dem aktuellen Stand war.
    »Brav, Mäderln, gut habts es g’macht!«, flüsterte Swoboda bewundernd.
    »Da, schau hin, die Sitzung ist aus, jetzt geht er grade aus dem Rathaus!«
    Sie würden ihn ab jetzt auf Schritt und Tritt verfolgen können.
     
    Schratzenstaller blieb über der Schusterkugel sitzen und übertrug die wechselnden Positionen des Bürgermeisters auf eine Ortskarte.
    »Das hätte ich nie gedacht, dass die kleinen Viecherln zu so was fähig sind«, schwärmte Swoboda und schaute ihm über die Schultern. »Als ich von dem Projekt erfahren habe, war ich, ehrlich gesagt, ziemlich skeptisch.«
    »Du glaubst gar nicht, zu was Insekten alles fähig sind«, sagte Schratzenstaller stolz, als hätte er die Insekten zu dem gemacht, was sie jetzt waren. »Die alten Ägypter haben schon recht gehabt, einen Mistkäfer, den Heiligen Skarabäus, als Gott zu verehren. Es gibt Insekten, die eine Wasserwaage am Bauch tragen, der Taumelkäfer benützt ein Echolot zur Fortbewegung, Stubenfliegen sind mit einem Geschmacksfühler an der Sohle ausgestattet, Honigbienen mit einem Tempomesser am Auge, Feuerkäfer haben einen Brandmelder am Bauch, Hornissen bauen Paläste aus Papier, Kakerlaken überleben wahrscheinlich sogar einen Atomschlag – und dabei ist das meiste noch nicht einmal erforscht.«
    »Dumme Frage: Warum hat sich dann keine intelligente Lebensform herausgebildet?«
    »Sie
sind
eine intelligente Lebensform, Swoboda.«
    Swoboda betrachtete seine in einem Eimer hängende Hand. »Wie viele Ameisenbäder muss ich denn noch nehmen?«
    Seine rechte Hand war vom Abrutschen an der Dachrinne ziemlich lädiert gewesen. Schratzenstaller hatte darauf bestanden, ein altes Werdenfelser Naturrezept anzuwenden, nämlich Ameisen über die Wunde laufen zu lassen. Hunderte der Tiere krabbelten nun über seine Hand und besprühten ihn mit Essenzen, die laut Schratzenstaller den Wundheilungsprozess beschleunigen sollten.
    »In zwei Tagen ist deine Hand wieder wie neu. Da kannst du ein Klavierkonzert geben.«
     
    Swoboda sah aus dem Fenster und pfiff ein altes Wiener Lied, so etwas wie ♫ Es wird ein Wein sein … Seine Augen sprangen ziellos von Punkt zu Punkt, ein Zeichen von höchster Konzentration.
    »Unser Mückenprojekt revolutioniert alle bisherigen Verfolgungstechniken und stellt sogar polizeiliche und militärische Überwachungsmöglichkeiten in den Schatten. Wir können jetzt einen Menschen, von dem wir bloß eine benützte Serviette oder eine Haarlocke haben, auf der ganzen Welt lokalisieren. Wir brauchen ihm keinen Peilsender mehr zu verpassen. Darüber hinaus erfahren wir sogar etwas über seine Stimmung und seine momentanen Gefühle. Aber ein paar Fragen bleiben noch offen. Arbeiten die Mückerl beispielsweise auch nachts für uns? Wie ist es bei extremen Temperaturen? Bis zu welcher Höhe fliegen sie? In welchem Radius können sie sich bewegen? Kann man die Viecherl ablenken, zum Beispiel mit anderen Düften? Was ist, wenn sich die Objekte in geschlossenen Räumen bewegen?«
    »Dafür haben wir doch den Winterholler engagiert. An dem testen wir die Rand- und Grenzsituationen. Ich habe da jede Menge Daten zum Auswerten. Aber lass uns schauen, was der Bürgermeister nach der

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