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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Die belebte Straße schien an einem solch klaren Tag wie heute direkt an der Zugspitze vorbei auf den Daniel zuzuführen, einen Berg, der schon über der Grenze in Österreich lag und von dort frech spitzkegelig hinüberprotzte, so, als wollte er sagen:
Wollwoll, kommts nua eina ins Uolaubsparadies Tiroi!
Ostlers Auftrag war kein angenehmer, denn er hatte einen Haftbefehl in der Tasche, ausgestellt auf eine Frau, die er gut kannte und die, wie könnte es anders sein, mit ihm auch über ein paar Ecken verwandt war. Momentan war niemand sonst im Revier, der diesen Auftrag hätte erledigen können. Es half alles nichts. Die Beweise, die die Staatsanwaltschaft und die Kollegen vom Falschgelddezernat ihm geschickt hatten, waren erdrückend. Er parkte das blauweiße Polizeiauto vor der Gemüsehandlung Altmüller, das allein war ihm schon peinlich genug.
     
    »Ah, der Herr Ostler«, sagte die Gemüsehändlerin, die stets freundliche Frau Altmüller. »Wie immer – drei Kohlrabi?«
    Sie rief ihm das über eine Schlange von mindestens sieben Leuten zu, die sich jetzt umdrehten und ihn beiläufig grüßten. Was sollte er antworten? Nein, Frau Altmüller, heute keinen Kohlrabi, ganz im Gegenteil, packen Sie bitte das Nötigste zusammen und kommen Sie mit mir! Das erschien ihm allzu hart zu sein. Schließlich drohte keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Aber er hatte doch keine Zeit zu warten, bis er an der Reihe war – dann käme ja noch mehr Falschgeld in Umlauf! Und im Revier war außerdem unendlich viel Papierkram zu erledigen – er hatte ganz sicher keine Zeit. Er war gezwungen, die bedauernswerte Frau Altmüller jetzt und hier vor den Kunden bloßzustellen, es blieb ihm gar nichts anderes übrig.
    »Frau Altmüller –«, begann er vorsichtig, doch die hatte sich inzwischen umgedreht und drei Kohlrabi aus dem Regal genommen, vermutlich die schönsten, die sie gefunden hatte.
    »Äh, drei Kohlrabi? Ja, ich weiß nicht«, stotterte er, so unsicher, dass sich die ersten Kunden schon umdrehten und den Kopf schüttelten: Ja, wenn ein uniformierter Beamter bei drei Kohlrabi schon so unsicher ist, wie soll das dann erst werden, wenn es gilt, Gefahren abzuwenden von Staat und Bürgertum? Ostler wurde nervös. Was sollte er tun? Sollte er einfach sagen: Bitte, Frau Altmüller, packen Sie das Gemüse weg, ich komme heute dienstlich, wir haben etwas zu bereden. Kaum hatte er Luft geholt, da fuhr ihm Frau Altmüller ins Wort:
    »Wir hätten heute auch noch schöne Erdbeeren, Ihre Frau macht die doch immer so gerne ein. Jetzt ist die beste Einmachzeit.«
    »Ja, freilich, meine Frau würde sich freuen, aber heute –«
    »Gell, das ist schon hart, das Leben bei der Polizei«, sagte der zweite Kunde in der Reihe ironisch, ein pensionierter Oberstudienrat. »Da will man einen Mörder fassen, der die Gegend unsicher macht, und dann muss man dazwischen auch noch Kohlrabi kaufen.«
    »Ich will ja gar keinen Kohlrabi kaufen«, sagte Ostler, etwas zu frech für einen Staatsbeamten.
    »Ach so, keinen Kohlrabi«, sagte Frau Altmüller. »Was gibts denn dann heute bei Ihnen Feines?«
    »Mir eilt’s ein bisschen«, sagte die Vierte in der Reihe, »können Sie Ihren Disput nicht ein andermal weiterführen?«
    Ein anderer in der Reihe hatte schon das Mobilfunkgerät gezückt. Er wählte eine eingespeicherte Nummer.
    »Gemüsehandlung Altmüller«, flüsterte er, »an der Hauptstraße kurz vor Ortsende.«
    »Sagen Sie mal, Herr Polizist«, sagte der Erste in der Reihe, »haben Sie jetzt nichts anderes zu tun, als hier herumzustehen? Fangen Sie doch lieber diesen Felsnischenmörder.«
    Ostler war ins Schwitzen gekommen. Dumme Sache, wenn man ein so gutmütiges Naturell hatte. Er schüttelte sich und bereitete sich auf einen frontalen Angriff vor. Mit fester Stimme sagte er:
    »Bitte, Frau Altmüller, ich habe mit Ihnen zu reden.«
    Frau Altmüller packte gerade Kartoffeln ein.
    »Um was geht es denn, Herr Ostler?«
    »Das muss ich Ihnen unter vier Augen sagen.«
    Die Kunden im Laden beäugten Ostler misstrauisch. Der eine oder andere schüttelte den Kopf. Frau Altmüller ließ die Kartoffeln sinken.
    »Ach, Sie wollen mir das vor den Kunden nicht sagen? Vielleicht bin
ich
ja hinaufgeklettert auf die Zugspitzwand, in meinem Alter! Vielleicht bin
ich
die Felsnischenmörderin!«
    Gelächter, alle gegen einen. Gemein.
    »Vielleicht hat die Frau Altmüller ja einen Kletterkurs für Senioren besucht«, setzte ein Mann mit Hut und Gamsbart noch

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