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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Junge, »das habe ich oft bemerkt.« –
     »Und hättest du nicht Lust, zu studieren und Geistlicher zu werden und daheim in der Kirche zu predigen?« – »Vater und Mutter
     würden sich schrecklich freuen, wenn ich es soweit brächte,« antwortete der Junge.
    Auf die Weise machte der Rabe Niels begreiflich, daß die Menschen, die in Upsala wohnen und studieren konnten, glücklich
     seien, aber bisher hatte Däumling noch nicht gewünscht, einer von ihnen zu sein.
    Dann traf es sich aber, daß das große Fest zu Ehren des Frühlings, das alljährlich in Upsala gefeiert wurde, gerade an diesem
     Abend stattfand. Es hatte eigentlich am ersten Mai stattfinden sollen, aber da goß es in Strömen vom Himmel herab, und das
     Fest ward auf einen anderen Tag verschoben.
    Und so ging es zu, daß Niels Holgersen die Studenten zu sehen bekam, als sie nach dem Botanischen Garten hinauszogen, wo das
     Fest gefeiert werden sollte. Sie kamen in einem großen, breiten Zug daher mit weißen Mützen auf dem Kopf und die ganze Straße
     war wie ein dunkler Fluß voll weißer Wasserrosen. Vor dem Zuge her wurden weiße, goldgestickte Fahnen getragen, und während
     des ganzen Marsches sangen sie Frühlingslieder. Niels hatte die Empfindung, als sängen sie nicht selbst, als begleite der
     Gesang sie, über ihren Köpfen hinschwebend. Ihm war es, als sängen nicht die Studenten zu Ehren des Frühlings, sondern als
     sitze der Frühling irgendwo verborgen und singe den Studenten etwas vor. Er hatte nie eine Ahnung davon gehabt, daß Menschengesang
     so klingen könne. Es war wie ein Sausen in Tannenwipfeln, wie Klang von Stahl, wie der Gesang wilder Schwäne am Strande.
    Als die Studenten in den Garten kamen, wo die Rasenplätze mit dem ersten, feinen, hellgrünen Gras bedeckt waren, und die Blätter
     der Bäume im Begriff standen,die Knospen zu sprengen, stellten sie sich vor einer Rednertribüne auf, die ein alter Mann bestieg, um eine Ansprache an
     sie zu halten.
    Die Rednertribüne war auf der Treppe vor den großen Treibhäusern errichtet, und der Rabe setzte den Jungen auf das Dach des
     Treibhauses. Da saß er in guter Ruhe und sah und hörte. Der alte Mann auf der Rednertribüne sagte, das beste im Leben sei,
     jung zu sein und seine Jugendjahre in Upsala zu verbringen. Er sprach von der guten, friedlichen Arbeit bei den Büchern und
     der reichen, lichten Jugendfreude, die nirgends so genossen werden könne wie in dem großen Kameradenkreis. Das mache die Arbeit
     so vergnüglich, ließe die Sorgen so leicht vergessen, mache die Hoffnung so licht.
    Der Junge saß da und sah auf die Studenten herab, die in einem Halbkreis um die Rednertribüne standen, und ihm ging das Verständnis
     dafür auf, daß es nichts Schöneres gebe, als zu diesem Kreis zu gehören. Das war ein Glück und eine große Ehre. Jeder einzelne
     wurde zu etwas mehr, als er sonst gewesen sein würde, wenn er zu einer solchen Schar gehörte.
    Nach der Rede wurde wieder gesungen, und auf den Gesang folgten von neuem Reden.
    Der Junge hatte nie eine Ahnung oder einen Begriff davon gehabt, daß man Worte so zusammensetzen konnte, daß sie Macht erhielten,
     zu rühren und erfreuen und begeistern, so wie diese.
    Niels hatte hauptsächlich die Studenten angesehen, aber er bemerkte doch, daß sie nicht die einzigen im Garten waren. Da waren
     auch junge Mädchen in hellen Kleidernund seinen Frühlingshüten, sowie viele andere Leute. Aber es erging ihnen wie dem Jungen, es schien, als seien sie nur gekommen,
     um die Studenten zu sehen.
    Hin und wieder entstand eine Pause zwischen den Reden und dem Gesang, und da zerstreute sich die Schar über den ganzen Garten.
     Bald aber stand ein neuer Redner auf der Tribüne, und sogleich scharten sich die Zuhörer wieder um ihn. Und so ging es weiter,
     bis die Nacht hereinbrach.
    Als das Ganze vorbei war, atmete der Junge tief auf und rieb seine Äugen, als erwache er aus dem Schlaf. Er war in einem Lande
     gewesen, das er noch nie besucht hatte. Alle diese Menschen, die sich des Lebens freuten und der Zukunft siegesstolz entgegensahen,
     verbreiteten Heiterkeit und Freude um sich wie einen Ansteckungsstoff, und der Junge war ebenso wie sie im Reiche der Freude
     gewesen. Aber als die Töne des letzten Liedes hinstarben, fühlte der Junge, wie trübselig sein eigenes Leben war, und er konnte
     sich nach dem eben Erlebten kaum überwinden, zu seinen Reisekameraden zurückzukehren.
    Der Rabe hatte neben dem Jungen gesessen,

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