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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Rücken
     des Adlers zurecht. Auf diese Weise hatte er wieder Gelegenheit, etwas von den Gegenden zu sehen, über die sie dahinflogen.
     Solange der Adler ihn in seiner Klaue gepackt hatte, war ihm das unmöglich gewesen. Es war eigentlich ein Glück für ihn gewesen,
     daß er nicht gewußt hatte, wo er war, denn wenn ihm jemand erzählt hätte, daß er an jenem Tage über so schöne Orte wie die
     Uppsalaer Hügel, die große Österbyer Fabrik, dieGrube von Dannemora und das alte Schloß Örbyhus hingeflogen war, so würde er sich gewiß sehr gegrämt haben, daß er von allem
     diesen nichts zu sehen bekommen hatte.
    Der Adler trug ihn nun in schnellem Flug über Gästrikland hin. In dem südlichen Teil war nicht viel zu sehen, was seinen Blick
     hätte fesseln können. Dort breitete sich eine Ebene aus, die fast überall mit Tannenwäldern bestanden war. Aber weiter nach
     Norden zu zog sich quer durch das Land von der Dalagrenze bis an die botnische Bucht ein schöner Landstrich mit bewaldeten
     Hügeln, blanken Seen und brausenden Flüssen. Hier lagen dichtbevölkerte Kirchspiele rings um ihre weißen Kirchen herum, Landstraßen
     und Eisenbahnen kreuzten sich, grüne Bäume umgaben traulich die Häuser und blühende Gärten sandten liebliche Düfte bis hoch
     in die Luft hinauf.
    An den Ufern der Flüsse lagen mehrere große Eisenhämmer, wie sie Niels im Bergwerkdistrikt gesehen hatte, in ungefähr gleichen
     Zwischenräumen in einer Reihe bis zum Meer hin. Dort aber breitete eine große Stadt ihre weißen Häusermassen aus. Nördlich
     von dieser dichtbevölkerten Gegend setzten die dunklen Wälder wieder ein; hier war jedoch das Land nicht flach, es erhob sich
     zu Hügeln und fiel in Tälern ab gleich einem aufgeregten Meer.
    »Dies Land hat einen Rock aus Tannen und eine Jacke aus Feldsteinen,« dachte der Junge bei sich. »Um die Taille aber trägt
     es einen Gürtel, der an Kostbarkeit seinesgleichen nicht hat, denn er ist mit blauenden Seen und blumigen Hügeln bestickt,
     die großen Eisenhämmer schmücken ihn wie eine Reihe edler Steine, und als Schnalledient ihm eine Stadt mit Schlössern und Kirchen und großen Häusergruppen.«
    Als die Reisenden eine Strecke in die nördliche Waldgegend hineingelangt waren, ließ sich Gorgo oben auf dem Gipfel eines
     kahlen Felsens nieder, und sobald der Junge von seinem Rücken heruntergesprungen war, sagte der Adler: »Hier im Walde gibt
     es Wild, und ich glaube, ich kann die Gefangenschaft nicht vergessen, und mich so recht frei fühlen, ehe ich nicht einmal
     wieder auf Jagd gewesen bin. Du wirst wohl nicht bange, wenn ich fortfliege?« – »Nein, das glaube ich nicht,« sagte der Junge.
     – »Du kannst herumlaufen, so viel du willst, aber um Sonnenuntergang mußt du wieder hier sein,« sagte der Adler und flog davon.
    Niels Holgersen fühlte sich recht einsam und verlassen, als er da auf einem Stein faß und über die kahlen Felsen und die großen
     Wälder, die ihn umgaben, hinschaute. Aber er hatte noch nicht lange dagesessen, als er von unten aus dem Walde Gesang vernahm
     und etwas Helles erblickte, daß sich zwischen den Bäumen bewegte. Er war sich bald klar darüber, daß es eine blau-gelbe Fahne
     war, und aus dem Gesang und den fröhlichen Stimmen schloß er, daß die Fahne an der Spitze eines Zuges von Menschen getrogen
     wurde, es währte jedoch lange, ehe er sehen konnte, was für eine Art von Zug es war. Die Fahne wurde auf gewundenen Wegen
     getragen, und er saß da und war sehr gespannt, welchen Weg sie und die Leute, die ihr folgten, einschlagen würden. Er konnte
     sich doch nicht denken, daß sie auf die häßliche, öde Bergebene, auf der er saß, hinaufkommen würden. Aber das taten siedennoch. Jetzt tauchte die Fahne am Waldsaum auf und hinter ihr drein flutete ein Gewimmel von Menschen, denen sie den Weg
     gewiesen hatte. Auf dem ganzen Berge entstand Leben und Bewegung, und an diesem Tage hatte der Junge so viel zu sehen, daß
     er sich keinen Augenblick langweilte.
    Der große Tag des Waldes
    Auf dem breiten Gebirgsrücken, auf dem Gorgo Däumling zurückgelassen, hatte vor ungefähr zehn Jahren ein Waldbrand gewütet.
     Die verkohlten Bäume waren gefällt und weggefahren worden, und da, wo der große Brandplatz an den frischen Wald stieß, fing
     es schon wieder an zu grünen. Der größte Teil des Felsens aber lag unheimlich öde und kahl da. Schwarze Baumstümpfe waren
     zwischen den Steinen stehen geblieben als Zeugen

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