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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Richard hinter ihnen.
    Mr. Croup und Mr. Vandemar gingen auf den in Gedanken versunkenen Engel zu. »He!« sagte Mr. Croup.
    Die Tür hatte sich geöffnet, einen Spalt nur, aber sie war offen. Licht strömte durch den Türspalt. Der Engel trat einen Schritt vor. Es war, als träumte er mit weit offenen Augen. Das Licht aus dem Türspalt badete sein Gesicht, und er trank es wie Wein.
    »Fürchtet euch nicht«, sagte er. »Denn wenn die Unermeßlichkeit der Schöpfung mein ist und sich alle um meinen Thron versammeln, um mir ein Hosianna zu singen, werde ich die Würdigen belohnen und jene verstoßen, deren Anblick mir verhaßt ist.«
    Und dann murmelte er halblaut noch etwas anderes. Richard hatte nicht genau verstanden, was er gesagt hatte, behauptete allerdings später, es hätte sehr nach: »Zuallererst Gabriel, diesen Mistkerl« geklungen.
    Mit einer letzten Kraftanstrengung riß Door die schwarze Tür vollends auf.
    Sie waren geblendet von dem, was durch die Tür zu sehen war: ein mahlstromartiger Strudel von Farbe und Licht. Richard kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf von dem grellen Leuchten. Sieht so der Himmel aus? Das kommt mir eher wie die Hölle vor.
    Und dann spürte er den Wind.
    Eine Kerze flog an seinem Kopf vorbei und verschwand durch die Tür. Und dann noch eine. Und dann war die Luft voller Kerzen, die alle durch den Raum auf das Licht zuwirbelten. Es war, als würde der ganze Saal durch die Tür gesogen. Es war jedoch mehr als ein Wind. Das wußte Richard. Seine Handgelenke begannen zu schmerzen, dort, wo sie gefesselt waren – als sei er plötzlich doppelt so schwer. Und dann veränderte sich sein Blickwinkel. Wenn man durch die Tür schaute – schaute man nach unten: Es war nicht nur der Wind, der alles zur Tür zog. Es war die Schwerkraft. Der Wind war nur die Luft im Saal, die an den Ort auf der anderen Seite der Tür gesogen wurde. Er fragte sich, was sich dort befand – die Oberfläche eines Sterns oder der Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs oder etwas, das er sich gar nicht vorstellen konnte.
    Islington griff nach dem Pfeiler neben der Tür und hielt sich verzweifelt daran fest.
    »Das ist nicht der Himmel«, schrie der Engel. »Du verrückte kleine Hexe! Was hast du getan?«
    Doors Hände umkrampften ihre Ketten. Sie sagte nichts, doch in ihren Augen leuchtete Begeisterung.
    Mr. Vandemar hatte ein Tischbein zu fassen bekommen, während Mr. Croup Mr. Vandemar zu fassen bekommen hatte.
    »Das war nicht der richtige Schlüssel«, sagte Door triumphierend über das Brüllen des Windes hinweg. »Das war nur eine Kopie. Die habe ich auf dem Markt von Hammersmith machen lassen.«
    »Aber er hat die Tür geöffnet«, schrie der Engel.
    »Nein«, sagte das Mädchen mit den seltsam gefärbten Augen. »Ich habe eine Tür geöffnet. So weit weg, wie ich konnte, habe ich eine Tür geöffnet.«
    Im Gesicht des Engels war keine Spur von Freundlichkeit oder Mitgefühl mehr zu sehen; nur Haß, pur und ehrlich und kalt. »Ich werde dich töten«, sagte er.
    »Wie Sie meine Familie getötet haben? Ich glaube nicht, daß Sie noch mal jemanden töten werden.«
    Der Engel hing mit bleichen Fingern an seinem Pfeiler, doch sein Körper bildete einen rechten Winkel zum Raum und ragte bereits zum größten Teil durch die Tür. Er sah gleichzeitig komisch und furchtbar aus. Er leckte sich die Lippen. »Hör auf!« bettelte er. »Mach die Tür zu! Ich sage dir, wo deine Schwester ist … Sie ist noch am Leben …«
    Door zuckte zusammen.
    Und Islington wurde durch die Tür gesogen, eine winzige Gestalt, die im Fallen immer kleiner wurde, als der blendende Abgrund auf der anderen Seite sie verschlang.
    Der Sog wurde stärker. Richard betete darum, daß seine Ketten und Handschellen hielten: Er spürte, wie er zur Öffnung gezogen wurde, und aus dem Augenwinkel sah er den Marquis an seinen Ketten baumeln, wie eine Marionette, die gleich von einem Staubsauger verschluckt wird.
    Der Tisch, an dessen Bein Mr. Vandemar sich festhielt, flog durch die Luft und blieb in der offenen Tür stecken. Mr. Croup und Mr. Vandemar landeten auf der anderen Seite. Mr. Croup, der buchstäblich an Mr. Vandemars Rockschößen hing, holte tief Luft und begann langsam, eine Hand nach der anderen, Mr. Vandemars Rücken hochzuklettern.
    Der Tisch knarrte.
    Mr. Croup sah Door an, und er lächelte wie ein Fuchs auf LSD. »Ich habe Ihre Familie getötet«, sagte Mr. Croup. »Nicht er. Und jetzt werde ich – endlich – beenden,

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