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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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wiederholte Mr. Vandemar. »Irgendwas zwischen eins und ganz viel«, fügte er zuvorkommend hinzu.
    »Sieben«, sagte der Marquis.
    Mr. Vandemar nickte beeindruckt.
    Mr. Croup begann: »Wo ist – «, doch der Marquis schüttelte den Kopf. »Mh-mh«, sagte er. »Jetzt werden wir unverschämt.«
    Einen Moment lang herrschte absolute Stille in dem klammen Keller. Dann tropfte Wasser, und Maden raschelten, und der Marquis sagte: »Nicht vergessen: eine Stunde Vorsprung.«
    »Gewiß«, sagte Mr. Croup.
    Der Marquis de Carabas warf Mr. Croup die Figurine zu, die dieser gierig auffing, wie ein Drogensüchtiger, der eine Plastiktüte voll weißen Pulvers von zweifelhafter Legalität erwischt.
    Und dann verließ der Marquis den Keller, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Mr. Croup drehte und wendete die Figurine, um sie gründlich zu untersuchen, wie ein Priester der Kirche der Fliegenden Antiquitätenhändler aus einem Dickens-Buch. Seine Zunge schoß von Zeit zu Zeit hervor, wie die einer Schlange. »Oh, sehr schön«, flüsterte er. »In der Tat: T’ang-Dynastie. Zwölfhundert Jahre alt, die feinsten Keramikfiguren, die je auf dieser Erde gefertigt wurden. Diese ist eine Arbeit von Kai Lung, dem Besten der Besten: so etwas gibt es kein zweites Mal. Man beachte nur die Farbe der Glasur; den Sinn für Proportionen; das Leben …« Jetzt lächelte er wie ein Baby; das unschuldige Lächeln war in der düsteren Landschaft seines Gesichts äußerst fehl am Platze. »Sie bringt ein wenig Magie und Schönheit in die Welt.«
    Und dann grinste er, zu breit, neigte das Gesicht zu der Figurine hinab und zermalmte ihren Kopf zwischen den Zähnen, kaute und mampfte wild und schluckte in großen Brocken herunter. Seine Zähne zerbröselten das Porzellan zu einem feinen Pulver, das den unteren Teil seines Gesichts bestäubte.
    Dieser Akt der Zerstörung verschaffte ihm eine ekstatische Befriedigung, er schwelgte darin mit dem merkwürdigen Wahnsinn eines Fuchses, der im Hühnerstall in einen Blutrausch gerät.
    Und dann, als nur noch Staub übrig war, drehte er sich zu Mr. Vandemar um. Er wirkte seltsam melancholisch, fast matt. »Wieviel Zeit wollten wir ihm geben?«
    »Eine Stunde.«
    »Mmm. Und wieviel Zeit ist jetzt vergangen?«
    »Sechs Minuten.«
    Mr. Croup senkte den Kopf. Er fuhr sich mit dem Finger über das Kinn und leckte den pulverisierten Ton von der Fingerspitze.
    »Folgen Sie ihm, Mister Vandemar«, sagte Mr. Croup. »Ich brauche noch ein wenig Zeit, um dieses Erlebnis bis zur Neige auszukosten.«
    Hunter hörte sie die Stufen herunterkommen. Sie stand mit verschränkten Armen im Schatten, in der gleichen Haltung, in der sie sie verlassen hatten.
    Richard summte laut vor sich hin.
    Door kicherte unbeherrscht. Dann hörte sie auf und sagte Richard, er solle still sein. Dann fing sie wieder an zu kichern. Sie gingen an Hunter vorbei, ohne sie zu bemerken.
    Hunter trat aus dem Schatten und sagte: »Sie waren acht Stunden lang fort.« Das war eine reine Feststellung, weder vorwurfsvoll noch neugierig gemeint.
    Door blinzelte in ihre Richtung. »Es kam mir gar nicht so lange vor.«
    Hunter sagte nichts.
    Richard grinste sie glasig an. »Wollen Sie nicht wissen, was passiert ist? Also, Mister Croup und Mister Vandemar haben uns aufgelauert. Leider hatten wir keinen Leibwächter dabei. Dafür habe ich mich ihrer angenommen.«
    Hunter zog eine perfekte Augenbraue hoch. »Ich wußte gar nicht, daß Sie so schlagkräftig sind«, sagte sie kühl.
    Door kicherte. »Er macht nur Spaß. In Wirklichkeit – haben sie uns umgebracht.«
    »Als Expertin in der Stillegung von Körperfunktionen«, erwiderte Hunter, »muß ich Ihnen widersprechen. Keiner von Ihnen beiden ist tot. Ich tippe eher darauf, daß Sie alle beide sehr betrunken sind.«
    Door steckte ihrer Leibwächterin die Zunge heraus. »Unsinn. Hab’ kaum was angerührt. So ’n bißchen nur.«
    Sie hielt zwei Finger hoch, um zu zeigen, wie wenig ›so ’n bißchen‹ war.
    »Wir waren bloß auf ’ner Party«, sagte Richard, »und haben Jessica gesehen und einen echten Engel, und dann haben wir ’n klitzekleines Schlückchen getrunken und sind gleich wieder hergekommen.«
    »Bloß ein kleines Glas«, fuhr Door beharrlich fort. »’n gaaanz alten Wein. Bloß ’n winnnzigkleines Gläschen. Ganz winzig. Fast gar nicht da.«
    Sie bekam einen Schluckauf. Dann kicherte sie wieder. Ein Hicksen unterbrach sie, und sie setzte sich abrupt auf den Bahnsteig.
    »Ich glaube fast, wir haben

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