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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Der Goldene dachte kurz nach und quiekte einen Befehl. Die schwarze Ratte rollte sich auf den Rücken und bot wieder einen Augenblick lang ihre Kehle dar. Dann ein Wuseln und Zappeln, und schon war sie unterwegs.
    Natürlich hatten auch schon vor dem Großen Gestank Sielmenschen in den elisabethanischen Abwasserkanälen gewohnt, in den Abwasserkanälen der Restauration, in den Regency-Abwasserkanälen, während mehr und mehr Wasserwege Londons in Rohre und überdachte Gänge gezwängt wurden, während die wachsende Bevölkerung immer mehr Schmutz, mehr Müll, mehr Abwässer produzierte; doch erst nach dem Großen Gestank, nach dem großen viktorianischen Kanalisationsbauprogramm, begannen sie wirklich eine Rolle zu spielen.
    Man fand sie überall an den Abwässerkanälen, doch ihr Zuhause hatten sie in einigen der kirchenähnlichen Backsteingruften im Osten, dort, wo viele schaumgekrönte Gewässer zusammenflossen. Dort saßen sie dann, Angelruten und Netze und selbst gebastelte Haken neben sich, und beobachteten die braune Wasseroberfläche.
    Die Sachen, die sie trugen – braune und grüne Sachen – , waren mit einer dicken Schicht von etwas bedeckt, das Schimmel gewesen sein mochte oder irgendein petrochemischer Schlamm oder, was durchaus denkbar gewesen wäre, etwas viel Schlimmeres. Sie trugen ihr Haar lang und verfilzt. Sie rochen mehr oder weniger so, wie man es sich vorstellt.
    Alte Sturmlaternen hingen überall im Tunnel. Niemand wußte, was die Sielmenschen als Brennstoff benutzten, aber ihre Laternen brannten mit einer ziemlich abscheulichen blaugrünen Flamme.
    Wie die Sielmenschen sich untereinander verständigten, war nicht bekannt. Bei ihren seltenen Kontakten mit der Außenwelt bedienten sie sich einer Art Gebärdensprache. Sie lebten in einer Welt des Gurgelns und Tröpfelns, die Männer, die Frauen und die stillen kleinen Sielkinder.
    Dunnikin entdeckte etwas im Wasser. Er war der Anführer der Sielmenschen, der Weiseste und Älteste. Er kannte die Siele besser als ihre Erbauer. Dunnikin griff nach einem langen Garnelennetz; eine geübte Handbewegung, und er fischte ein ziemlich mitgenommenes Mobiltelefon aus dem Wasser. Er ging hinüber zu einem kleinen Haufen Müll in der Ecke und legte das Telefon zum Rest des Fangs. Die heutige Ausbeute bestand bisher aus: zwei nicht zusammenpassenden Handschuhen, einem Schuh, einem Katzenschädel, einer Ausgabe von Fiesta, einem aufgeweichten Päckchen Zigaretten, einer Beinprothese, einem toten Cockerspaniel, einem Geweih (präpariert) und der unteren Hälfte eines Kinderwagens.
    Es war kein guter Tag gewesen. Und heute war Marktnacht. Dunnikin behielt das Wasser im Auge. Man konnte nie wissen, was noch kommen würde.
    Old Bailey hängte seine Wäsche zum Trocknen auf. Sie flatterte und wehte im Wind oben auf dem Centre Point. Vom Centre Point an sich hielt Old Bailey nicht viel, aber, wie er oft den Vögeln sagte, der Blick von oben war unvergleichlich. Der Wind riß Federn von Old Baileys Mantel und blies sie fort über London. Es machte ihm nichts aus. Wie er ebenfalls oft seinen Vögeln sagte: Wo die herkamen, gab es noch mehr. Eine große schwarze Ratte krabbelte durch eine zerborstene Lüftungsklappe, schaute sich um und kam dann zu Old Baileys von Vögeln besudeltem Zelt herüber. Sie lief am Zelt hoch und Old Baileys Wäscheleine entlang. Sie quiekte ihn aufgeregt an.
    »Langsamer, langsamer«, sagte Old Bailey. Die Ratte wiederholte, was sie gesagt hatte, mit etwas tieferer Stimme und langsamer. »Du lieber Gott«, sagte Old Bailey.
    Er lief ins Zelt und kehrte mit Waffen zurück – seiner Röstgabel und einer Kohlenschaufel. Dann eilte er wieder hinein und kam mit ein paar Tauschobjekten zurück. Und dann trat er noch einmal ins Zelt, öffnete seine Holztruhe und steckte das Silberkästchen in die Tasche.
    »Ich habe wirklich keine Zeit für solchen Unsinn«, sagte er zu der Ratte, als er zum letzten Mal aus dem Zelt kam. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Vögel fangen sich nicht von selber, mußt du wissen.«
    Die Ratte fiepte ihn an.
    Old Bailey löste das Seil, das um seinen Leib gewickelt war. »Schließlich«, erklärte er der Ratte, »könnte ja auch jemand anders die Leiche holen. Ich bin eben nicht mehr der Jüngste. Ich mag die Unterorte nicht. Ich bin ein Dachmann, und zwar mit Leib und Seele.«
    Die Ratte machte ein unhöfliches Geräusch.
    »Eile mit Weile«, erwiderte Old Bailey. »Ich geh’ ja schon. Du Dreikäsehoch. Ich kannte

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