Niemalsland
die richtige Größe für einen Leichentransport. Mr. Vandemar hätte die Leiche natürlich auch tragen können; aber dann hätte sie ihn vielleicht vollgeblutet oder mit anderen Flüssigkeiten besudelt. Und er besaß nur den einen Anzug.
Daher schob er den Einkaufswagen mit der Leiche des Marquis de Carabas darin den Abwasserkanal entlang, und die Karre machte quietsch, quietsch und zog nach links.
Er wünschte, zur Abwechslung würde Mr. Croup den Wagen einmal schieben.
Doch Mr. Croup redete. »Wissen Sie, Mister Vandemar«, sagte er, »gegenwärtig bin ich zu entzückt, zu beglückt, um nicht zu sagen zu trunken vor Freude, um zu meckern, maulen oder murren – nachdem wir endlich tun durften, was wir am besten können – «
Mr. Vandemar passierte eine besonders diffizile Ecke. »Jemanden umbringen, meinen Sie?« fragte er.
Mr. Croup strahlte. »Jemanden umbringen meine ich in der Tat, Mister Vandemar, Sie tapfere Seele, Sie prächtiger, edler Gesell’. Dennoch dürfte Ihnen mittlerweile aufgefallen sein, daß unter meinem frohen, glückseligen und munteren Gehabe ein düsteres ›Aber‹ lauert. Eine winziger Störfaktor, wie ein klitzekleiner Brocken roher Leber, der in meinem Stiefel klebt. Sie, davon bin ich überzeugt, sagen sich sicherlich: ›In Mister Croups Brust ist nicht alles zum Besten bestellt. Ich werde ihn dazu bringen, sich mir zu eröffnen.‹«
Dies ließ sich Mr. Vandemar durch den Kopf gehen, während er die runde Eisentür zwischen dem Abwasserkanal und dem nächsten Siel mit roher Gewalt öffnete und hindurchkletterte. Anschließend zog er den Einkaufswagen mit der Leiche des Marquis de Carabas durch die Tür. Und dann sagte er, da er sich mehr oder weniger sicher war, daß er niemals auf eine derartige Idee gekommen wäre: »Nein.«
Mr. Croup ignorierte dies und fuhr fort: »… Und wenn ich dann auf Ihr Flehen hin preisgeben würde, was mich so verstimmt, müßte ich bekennen, daß die Notwendigkeit, unser Licht unter den Scheffel zu stellen, meine Seele verdrießt. Wir sollten die traurigen Überreste des ehemaligen Marquis an den höchsten Galgen Unter-Londons hängen. Und sie nicht wegwerfen wie eine gebrauchte …«
Er hielt inne und suchte nach dem passenden Vergleich.
»Ratte?« schlug Mr. Vandemar vor. »Kohlmeise? Milz?«
Mr. Croup gefiel nichts davon. »Wie auch immer«, sagte er.
Vor ihnen befand sich ein tiefer Kanal mit braunem Wasser. Auf der Wasseroberfläche trieben schmutzigweiße Schaumflocken, gebrauchte Kondome und der eine oder andere Fetzen Toilettenpapier.
Mr. Vandemar hielt den Einkaufswagen an.
Mr. Croup beugte sich hinab. Er hob den Kopf des Marquis an den Haaren hoch und zischte in sein totes Ohr: »Je schneller diese Angelegenheit erledigt ist, desto besser. Es gibt andere Zeiten und andere Orte, an denen zwei Paar Hände, die mit dem Garrottierdraht und dem Tranchiermesser umzugehen wissen, durchaus willkommen sind.«
Dann stand er auf. »Gute Nacht, mein guter Marquis. Vergessen Sie nicht, zu schreiben.«
Mr. Vandemar kippte den Einkaufswagen um, und die Leiche des Marquis rollte heraus und klatschte in das braune Wasser unter ihnen.
Und anschließend schob Mr. Vandemar den Einkaufswagen ebenfalls in den Abwasserkanal und sah zu, wie die Strömung ihn forttrug.
Dann hielt Mr. Croup seine Lampe hoch, und er schaute dort, wo sie standen, in die Höhe.
»Es macht einen richtig traurig, wenn man sich überlegt«, sagte Mr. Croup, »daß da oben auf den Straßen Menschen herumlaufen, die die Schönheit dieser Siele niemals kennenlernen werden, Mister Vandemar. Diese Backsteinkathedralen unter ihren Füßen.«
»Wahre Handwerkskunst«, stimmte Mr. Vandemar zu.
Sie kehrten dem braunen Wasser den Rücken zu und machten sich wieder auf den Weg in die Tunnel.
»Mit den Städten ist es so wie mit den Menschen, Mister Vandemar«, sagte Mr. Croup affektiert. »Der Zustand ihrer Eingeweide ist von entscheidender Bedeutung.«
Door hängte sich den Schlüssel an einem Bindfaden, den sie in einer der Taschen ihrer Lederjacke gefunden hatte, um den Hals.
»Da ist er nicht sicher«, sagte Richard. Das Mädchen schnitt eine Grimasse.
»Na ja«, sagte er. »Ist er wirklich nicht.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Also gut«, sagte sie. »Ich werde mir eine Kette dafür besorgen, wenn wir auf dem Markt sind.«
Sie liefen durch ein Labyrinth von in Kalkstein geschlagenen Höhlen und tiefen Tunnels, das auf Richard einen fast schon prähistorischen Eindruck
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