Niemand hört dich schreien (German Edition)
komisch.«
»Mehr als komisch.«
»Kann ich irgendwas tun?«
»Nein. Jetzt geht es mir gut.« Sie drehte sich um, schloss die Tür ab und legte als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme die Kette vor.
»Kann ich bestimmt nichts für Sie tun? Ich könnte Ms Shaw anrufen.«
Nicole lächelte, dankbar dafür, dass es noch gute Menschen gab. »Nein, nein. Bitte behelligen Sie sie nicht. Mir geht es gut, wirklich.«
»Na gut. Ich hole nur meinen Werkzeugkasten und gehe dann nach Hause.«
»Ich bin froh, dass Sie vorbeigekommen sind.«
Er nickte verständnisvoll. »Diese Dame hat etwas von einem Barrakuda. Halten Sie ja Abstand von ihr.«
»Das werde ich tun.«
Todd verzog das Gesicht zu einem verständnisvollen Lächeln. »Am besten, Sie gehen gleich ins Bett. Sie sehen erledigt aus.«
Sie folgte ihm in die Küche. »Klingt wunderbar.«
Er nahm den Werkzeugkasten und öffnete die Hintertür. »Tut mir leid wegen der Küchenschränke. Beim Lieferanten gab es eine Verzögerung. Sie werden morgen hier sein.«
»Klar.«
»Gute Nacht.«
»Bis morgen.«
»Darauf können Sie zählen.«
Er ging, und sie schloss auch diese Tür zweimal ab. Dann machte sie das Licht im Flur aus. Die Mikrowelle in der Küche piepste und erinnerte sie daran, dass ihr Tee auf sie wartete. Sie öffnete die Tür der Mikrowelle. Inzwischen war der Tee lauwarm, und Nicole merkte, dass ihr nicht mehr danach war.
Sie goss den Tee in das Waschbecken im Gäste- WC und spülte die Tasse, bevor sie sie wieder in den Kühlschrank stellte. Dann ging sie die Treppe hinauf in den ersten Stock. Wie immer knarrte die oberste Stufe, doch heute verursachte ihr das Geräusch eine Gänsehaut. Sie blickte über die Schulter zu den schmalen Fenstern neben der Haustür und vergewisserte sich, dass Dana nicht zurückgekehrt war.
Ihr Herz hämmerte, und instinktiv legte sie die Hände auf ihren Bauch. »Dana ist fort.«
Aber tief in ihrem Inneren spürte sie, dass Dana noch nicht fertig war mit ihr. Dana war die Sorte Frau, die nicht aufgab, bevor sie genau das hatte, was sie wollte.
Und sie wollte Nicoles Kind.
15
Freitag, 18. Januar, Mitternacht
Kendall konnte das Gefühl der Furcht nicht abschütteln. Es verfolgte sie, seit sie am Nachmittag die Feier im Frauenzentrum verlassen hatte. Vielleicht hatte das Gespräch mit Jacob Warwick ihren Ängsten neue Nahrung gegeben. Den Albtraum mit Worten zu beschreiben, machte ihn umso realer und unterstrich die Tatsache, dass sie über ihre eigene Vergangenheit vor ihrem dritten Geburtstag nichts wusste. Vielleicht war ihr ja etwas Schreckliches zugestoßen.
Sie dachte an den Suchantrag, den sie für Carnie ausgefüllt hatte. Sie hatte ihn per Kurier an den zuständigen Sozialarbeiter geschickt und Carnie angerufen. Der Sozialarbeiter hatte ihr keinerlei Versprechungen gemacht.
Fakt war, dass sie vielleicht niemals etwas über ihre Vergangenheit erfahren würde.
Kendall verlangsamte den Wagen, als sie sich ihrer Garage näherte. Sie hatte es genossen, sich heute mit Jacob anzulegen. Irgendwie brachte er es fertig, sie gleichzeitig innerlich aufzuwühlen, zu verärgern und ihr ein Gefühl von Lebendigkeit zu geben.
Und dann hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt und sie küssen wollen.
Herrgott, sie hatte ihn so gern küssen wollen. Es war ihr egal gewesen, ob jemand sie hätte sehen können. Seit Ewigkeiten hatte sie kein solches Verlangen gespürt. Sie hatte schon beinahe vergessen, wie es sich anfühlte. Kein Zweifel, Jacob Warwick würde ihren Körper im Bett zum Jubeln bringen.
Doch in letzter Sekunde war sie zurückgewichen. Das war ihre Art. Wenn ihr jemand zu nahe kam, zog sie sich zurück. Nicole hatte recht gehabt, als sie gemeint hatte, Kendall erwarte immer, dass man sie im Stich ließ.
Und dennoch fragte sie sich unwillkürlich, wie es wohl mit Jacob wäre.
Sie parkte den Wagen, stieg aus und ging durch den gefrorenen Garten zur Hintertür. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, aber die Tür bewegte sich nicht. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass Nicole das Sicherheitsschloss abgesperrt hatte. Sie steckte den Schlüssel in das zweite Schloss und öffnete, dann schloss sie zweimal hinter sich ab.
Zwanzig Minuten später kam sie aus der Dusche, das Gesicht frisch gewaschen. Sie trocknete sich ab und streifte das Nachthemd über, das an einem Haken an der Badezimmertür hing.
Sobald sie im Schlafzimmer war, schlüpfte sie unter die Decke. Die Laken waren kalt, und sie kuschelte sich
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