Niemand hört dich schreien (German Edition)
Jacob spürte die Kälte nicht mehr.
Kendall schaute zu ihm auf. Ihre Lippen sahen weich aus. Sicher schmeckten sie süß. Am liebsten hätte er sie gleich hier und jetzt genommen und die Fantasien ausgelebt, die er seit Langem hegte.
Er beugte sich zu ihr hinab. Sie stand regungslos da und sah zu ihm auf. Er wollte sie küssen. Und er spürte, sie wollte, dass er es tat. Verlangen pulsierte durch seinen Körper.
Jacob streckte die Hand aus und strich ihr das Haar von der Schulter. Er neigte den Kopf und wollte sie gerade küssen, als ein vorüberfahrendes Auto hupte. Sie erschrak und zog sich so weit von ihm zurück, wie es ihr möglich war.
»Ich muss gehen«, sagte sie. »Wenn Sie so freundlich wären?«
Die Schärfe in ihrer Stimme ärgerte ihn. Kendall erinnerte ihn an eine Königin, die zu einem ihrer Untergebenen sprach. Er war entlassen. Der Hieb von vorhin hatte gesessen, aber diese Zurückweisung schmerzte richtig.
Jacob trat einen Schritt zurück, um ihr Platz zu machen. Er steckte eine Hand in die Hosentasche.
Immer noch zitterten ihre Hände. »Auf Wiedersehen, Detective.«
»Okay.«
Kendall stieg in den Wagen, ließ den Motor an und fuhr ein klein wenig zu schnell davon.
Er stand auf dem kalten Parkplatz, und zwischen den Gebäuden hindurch pfiff der Wind. Immer noch hing ihr Parfum in der Luft. Jim Mundey hatte recht. Sie hatte zu viele Dornen.
»Verdammt, Jacob«, murmelte er. »Hör auf, dir zu wünschen, was du nicht kriegen kannst.«
Mit vor Kälte steifen Fingern nestelte Nicole an ihrem Schlüsselbund. Die Verandabeleuchtung warf einen kreisrunden Lichtschein auf sie herab. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als heiß zu duschen und dann ins Bett zu kriechen. Es war erst sechs Uhr abends, doch sie war völlig erschöpft. Das Baby in ihrem Bauch wog schwer, und der Rücken tat ihr weh. Gott sei Dank hatte sie keine Abendtermine.
In der Dunkelheit hinter ihr schrie eine Katze, und eine Mülltonne fiel krachend um. Schnell drehte Nicole sich um und spähte ins Dunkel. Da war nichts. Die Häuser jenseits des ungepflasterten Wegs waren hell erleuchtet, einschließlich des Schlafzimmers im Obergeschoss ihres neuen Nachbarn.
Sie entspannte sich, schloss die Hintertür auf und ging ins Haus. Geruch von Sägemehl schlug ihr entgegen. Der Handwerker. Todd. Sie hatte ihn völlig vergessen. Sie seufzte und hoffte, dass er schon gegangen war und sie das Haus an diesem Abend für sich allein hatte.
Sie hängte ihren Mantel in den Schrank. Die Mäntel und Jacken darin waren in Plastikfolie verstaut worden, und ihr wurde klar, dass Todd so umsichtig gewesen war, die Kleidung vor dem Staub zu schützen, bevor er mit dem Abschleifen begonnen hatte. Er dachte aber auch wirklich an alles.
»Hallo? Ist jemand da?«
Keine Antwort. Sie ging durch den hinteren Flur in die Küche. Der Boden war abgeschliffen und der Staub von Boden und Wänden entfernt worden. Die Wände waren verspachtelt, gestrichen und bereit für die neuen Küchenschränke. Sie sah nach dem Datum auf ihrer Armbanduhr. Eigentlich hätten die Schränke heute kommen sollen. Sicher hatte es ein Problem gegeben, was bei Renovierungsarbeiten nicht ungewöhnlich war.
Sie hoffte inständig, dass Todd für heute Schluss gemacht hatte und sie die dringend notwendige Ruhe bekam. Nur schnell eine Tasse Tee aus der Mikrowelle und ein paar Kekse, dann würde sie auf ihr Zimmer gehen und ein Buch über Fotografie zu Ende lesen, das sie sich aus der Bücherei geliehen hatte.
Sie öffnete den Kühlschrank und holte einen Teebeutel aus einer Plastikdose. Seit Beginn der Renovierungsarbeiten hatte sie sich außerdem angewöhnt, eine saubere Tasse im Kühlschrank aufzubewahren. Es war der einzige Ort, an dem sie sicher sein konnte, eine zu finden. Sie füllte die Tasse am Waschbecken in der Gästetoilette und ging zurück in die Küche, wo die Mikrowelle eingestöpselt auf einem Stuhl stand.
Als sie die Zweiminutentaste drückte und das Gerät zu summen begann, konnte sie es kaum erwarten. »Fertig machen zum Kochen.«
Es waren keine dreißig Sekunden vergangen, als es an der Haustür klingelte. Nicole war versucht, nicht aufzumachen. Aber sofort fühlte sie sich schuldig. Was, wenn es Kendall war und sie den Schlüssel vergessen hatte?
Sie legte eine gewölbte Hand unter ihren Bauch und ging zur Haustür. Sie schaltete das Licht ein und spähte durch das schmale Fenster neben der Tür. Dana Miller.
Nicole stöhnte. Was zum Teufel will die denn
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