Niemand hört dich schreien (German Edition)

auf und ließ den Inhalt in seinen Kaffee rieseln. »Ganz gut.«
    »Haben Sie sich schon eingearbeitet?«
    Er trank einen Schluck Kaffee und bemerkte, dass sie am linken Handgelenk eine goldene, antik aussehende Armbanduhr trug. »Sie wissen ja, wie das mit einem neuen Job ist. Man braucht immer Zeit, um sich einzugewöhnen.«
    »Ich weiß.« Ihr Akzent war unauffällig, und wenn er sich nicht bereits erkundigt hätte, hätte er nie erraten, dass sie aus dem Süden stammte.
    »Wie lange sind Sie schon bei Ihrem Sender?«
    »Ein paar Jahre, aber die Abendmoderation mache ich erst seit ein paar Monaten.«
    »War das ein großer Sprung?« Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verschränkte die Finger. Er sah sie aufmerksam an, um ihr das Gefühl zu geben, dass er sich ihr voll und ganz widmete.
    »Ja.«
    »Sie kommen sicher gut an.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kann nicht behaupten, dass alle von der Veränderung begeistert waren.«
    »Wieso?«
    »Ehemaliges Model wird Moderatorin. Manche denken, ich hätte nicht das Zeug dazu.«
    »Macht Ihnen das etwas aus?«
    »Es hat mich angetrieben, mehr zu arbeiten als alle anderen. Und ich bin gut. Ich habe für das, was ich erreicht habe, hart gearbeitet. Irgendwann werden es die Zweifler schon kapieren.«
    Sie war so ernsthaft, wie er vermutet hatte. »Ich bin sicher, dass Sie sie überzeugen werden.«
    Faye erschien mit French Toast und Eiern mit Schinken für Cole und Eiweißomelett mit Toast für Kendall. »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«
    Cole spießte ein Stück Schinken mit seiner Gabel auf. »Nein danke, Faye.« Kendall war eine Schönheit, sogar noch attraktiver als auf den Reklamefotos und in den Fernsehinterviews, die er sich angesehen hatte. »Und Sie stammen aus Richmond?«
    »Ja, ich bin hier geboren und aufgewachsen.«
    »Und keine Sehnsucht nach der Großstadt?«
    Sie trank einen Schluck Tee. »Eine Zeit lang konnte ich an gar nichts anderes denken.«
    »Und inzwischen?«
    »Mir gefällt es hier. Ich kann nicht sagen, ob es für die Ewigkeit ist, aber im Moment ist es okay.«
    Es steckte mehr dahinter, es gab einen tieferen Grund, warum sie sich entschlossen hatte, in der Stadt zu bleiben, aber er vertiefte das Thema nicht. »Ich habe den Beitrag über diese ermordeten Frauen gesehen, den Sie am Freitag gebracht haben. Ganz schön heftig.«
    Kendall runzelte die Stirn. »Stimmt, und sehr beunruhigend.«
    »Gibt es Vermutungen hinsichtlich der Motive?«
    »Etliche Hypothesen, aber keine Beweise.«
    Schweigend zerteilte Cole seinen French Toast und aß einen Bissen. Dann fragte er: »Hatten die Frauen Familie?«
    »Ich bin jedenfalls auf keine gestoßen. Eine war Einzelkind, und die Eltern sind verstorben. Die Identität der anderen wurde noch nicht bekannt gegeben.« Der Gedanke an die ermordeten Frauen drückte auf ihre Stimmung. »Genug von den Morden. Erzählen Sie mir von sich. Sie sagten, Sie kommen aus dem Westen?«
    Aus Vorsicht hielt er seine Antworten einfach. Sonst würde er sich womöglich verheddern. »Die meiste Zeit war ich in Denver. Kurze Zeit auch in Alaska.«
    »Und das Versicherungsgeschäft hat Sie nach Richmond geführt?«
    Er hörte den Zweifel in ihrer Stimme. »Meine eigene Agentur. Ich habe beschlossen, mich selbstständig zu machen.«
    »Aber warum so weit weg?«
    Er nahm die Gabel auf. Halt es einfach. »Ich habe gerade eine hässliche Scheidung hinter mir«, sagte er. »Ich wollte einen Neuanfang.«
    »Kinder?«
    »Nein, Gott sei Dank. Wäre eine Schande gewesen, ihnen so etwas anzutun. Meine Familie lebt in Boulder, und ich habe eine jüngere Schwester. Waren Sie schon mal in Denver?«
    »Vor ein paar Jahren war ich auf der Durchreise dort. Mein Flug hatte Verspätung, und ich hatte ein paar Stunden Aufenthalt. Mehr nicht.«
    Cole merkte, dass Kendall versuchte, sich ein Bild von ihm zu machen. Typisch Reporterin. Aber er wusste, dass er schwer zu durchschauen war. Er war es gewohnt, seine Gedanken zu verbergen.
    »Sie reden nicht so gern über sich selbst, was?«, fragte sie.
    Er grinste. »Das ist es nicht. Ich bin nur einfach nicht so interessant. Fünfunddreißig, geschieden, Versicherung. Langweilig.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe den Verdacht, Sie sind alles andere als langweilig.«
    Wieder schnitt er ein Stück von seinem French Toast ab und spießte es mit der Gabel auf. »Ich würde lieber über Sie sprechen.«
    »Studium an der Universität Virginia, ein bisschen gemodelt, dann Reporterin