Niemand hört dich schreien (German Edition)
und begrüßte Jacob und Zack. »Das hat nichts Gutes zu bedeuten, oder?«
Jacob wollte dieses Gespräch nicht vor der Tür führen. »Dürfen wir eintreten?«
Mrs Sorensons Augen füllten sich mit Tränen, als ahnte sie die schlimme Nachricht bereits. »Bitte kommen Sie herein«, sagte sie.
Aus der Kälte traten sie in die warme Diele, in der ein Orientteppich lag. Sie folgten dem Paar in ein makellos gepflegtes Wohnzimmer, das nicht so aussah, als ob es oft benutzt wurde.
Alle setzten sich. Mr Sorenson sprach als Erster. »Worum geht es?«
Mrs Sorenson sah ihren Mann an und drückte seine Hand.
Jacob beugte sich vor und verschränkte die Hände so fest, dass die Gelenke schmerzten. »Mr und Mrs Sorenson, wir glauben, dass wir heute Morgen Ihre Tochter gefunden haben. Sie hatte einen Führerschein bei sich, und ihr Gesicht entsprach dem auf dem Foto.« Er atmete tief ein, ihm graute vor dem, was als Nächstes kam. »Sie ist tot. Ermordet, wie wir glauben.«
Mrs Sorenson ließ den Kopf sinken und begann zu weinen. »Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, als sie nicht zur Arbeit gekommen ist. Ich wusste es. Ich bin am Samstag zu ihr gegangen, aber sie war nicht da.«
»Es tut mir leid«, sagte Zack leise.
»Wie ist sie gestorben?«, fragte Mr Sorenson. In seinen Augen mischten sich Zorn und Trauer.
»Im Moment können wir es noch nicht sagen«, antwortete Jacob.
Mrs Sorensons rot geränderte Augen durchbohrten ihn. »Warum nicht? Sie ist doch unser Kind.«
Die Wand hinter ihnen war voller Kinderfotos. Die Bilder deckten mehrere Jahrzehnte ab und beinhalteten Schnappschüsse von Schulabschlüssen, aus dem Urlaub und beim Sport. Amanda war unter den anderen leicht zu erkennen.
»Es ist eine komplizierte Ermittlung. Wir glauben, dass der Mörder Ihrer Tochter auch in andere Verbrechen verwickelt ist«, erwiderte Jacob.
»In letzter Zeit sind noch zwei andere Frauen ermordet worden«, sagte Mr Sorenson. »Meinen Sie die?«
Jacob verzichtete bewusst auf eine Antwort. »Erzählen Sie mir von Amanda. Männliche Freunde, Arbeit, Freundinnen.«
Mrs Sorenson wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. »Letztes Jahr hatte Amanda einen Freund, aber sie hat sich von ihm getrennt. Er war ein netter Kerl, und unserer Meinung nach konnte er nichts für die Trennung. Sie ist nie lange mit jemandem zusammengeblieben. Sie liebte ihre Unabhängigkeit. Sie war Künstlerin. Malerin. Sie war ziemlich gut und machte sich gerade einen Namen.«
»Wie steht es mit Freundinnen?«, fragte Jacob.
»Sie hatte ein paar Freundinnen, aber auch von denen stand ihr keine richtig nahe.«
»Sie blieb für sich«, fasste Jacob zusammen. Diesen Satz hatte er schon bei den Beschreibungen der anderen Opfer gehört.
»Im Grunde ja«, stimmte ihre Mutter zu. »Sie liebte ihre Kunst und ihre Arbeit. All ihre Energie steckte sie da hinein.«
»War sie schon immer eine Einzelgängerin?«, fragte Zack.
Die Mutter schloss die Augen und tupfte sich die Augenwinkel. Sie atmete tief ein und sah Jacob an. »Amanda war schon immer launisch. Manchmal blieb sie stundenlang in ihrem Zimmer, hörte Musik und malte. Ich dachte immer, dass sie eben so war. Also ließ ich sie allein, damit sie malen konnte. Das hat sie normalerweise beruhigt.«
Drei Frauen. Alle hatten allein gelebt. Alle konnten keine Beziehung aufrechterhalten.
»Was für Dinge hat sie gemalt?«, fragte Jacob.
»Blumen. Wolken. Ein weißes Haus mit einer großen Veranda und einem Lattenzaun. Spielende kleine Mädchen.«
»Diese Art Bilder passen nicht zu Ihrer Beschreibung einer launischen Frau«, bemerkte Jacob.
»In ihren Bildern war immer etwas Trauriges.« Mrs Sorenson schluckte. »Ich nahm an, dass diese Bilder mit ihrem früheren Leben zu tun hatten.«
Jacob blickte auf. »Ihrem früheren Leben?«
»Bevor wir sie adoptiert haben«, sagte Mr Sorenson. »Wir haben Amanda adoptiert, als sie zehn war.«
Jacob beugte sich vor. »Wissen Sie irgendetwas über ihre leiblichen Eltern?«
Mrs Sorenson schüttelte den Kopf. »Nein. Es war eine Inkognito-Adoption. Einmal haben wir versucht, etwas herauszufinden. Sie litt unter Schlafstörungen, und wir dachten, wir könnten ihr helfen, wenn wir ihre Vergangenheit besser verstünden. Aber die Leiterin der Agentur sagte uns, die Unterlagen seien unter Verschluss. Sie wollte uns nichts sagen.«
»Ist es nicht üblich, dass man etwas über die Vergangenheit seines adoptierten Kindes weiß?«, fragte Zack.
Mrs Sorenson lächelte.
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