Niemand hört dich schreien (German Edition)
arbeitet, wo die Frauenleiche gefunden wurde. Sie hat mich vor ungefähr einer halben Stunde angerufen. Die Cops versuchen, es unter Verschluss zu halten.«
Nicole verschränkte die Arme über ihrem Bauch. »Geh nur. Ich rede mit Todd wegen der Fliesen.«
»Du hast Geschmack und weißt, was mir gefällt. Nimm einfach die, die dir am besten gefallen.«
»Mach ich.«
Kendall merkte, dass ihre Hände ganz leicht zitterten, als sie aufstand. Gott, wieder eine tote Frau. »Was kannst du mir über das Opfer erzählen?«
»Kein Name oder Hintergrund – bis jetzt.«
Sie ging auf ihr Zimmer zu und sortierte dabei im Geist die Einzelheiten, die sie über die letzten Morde kannte. »Okay. Gib mir zwanzig Minuten, dann komme ich runter.«
Kendall sprang unter die heiße Dusche. Die Rasur der Beine und die Haarwäsche ließ sie aus – Ersteres konnte sie verbergen, Letzteres durch die Frisur kaschieren. Als sie aus der Dusche kam, trocknete sie sich ab, drehte ihr Haar zu einem französischen Knoten und schminkte sich. Sie zog eine weiße Seidenbluse, eine dunkle Hose und hochhackige Stiefel an. Nach siebzehn Minuten war sie unten.
Brett saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, Nicole stand am Kamin.
»Gehen wir«, meinte Kendall. Sie holte ihren Mantel aus dem Garderobenschrank und nahm ihre Tasche.
Brett wirkte sprachlos angesichts ihrer Verwandlung. »Das ist die Kendall, die ich kenne und liebe. Sehr hübsch.«
Sein Kompliment irritierte sie. »Ich fahre dir nach.«
»Fahr lieber mit mir. Das geht schneller. Ich möchte, dass Channel 10 die Story als erster Sender hat.«
Er hatte recht. Mit ihm zu fahren, sparte Zeit. Aber die Aussicht gefiel ihr gar nicht. »Okay.«
Brett öffnete die Beifahrertür seines eleganten, schwarzen Audis, und sie stieg ein. Er glitt hinter das Lenkrad und ließ den Motor an. Seine Augen glänzten. »Die Cops werden sauer sein, wenn wir auftauchen.«
»Sie rechnen doch sicher mit den Medien.«
»Ja. Aber nicht so schnell. Sie sind uns nur eine Stunde voraus.«
»Wie hast du von der Story erfahren?«
»Durch eine SMS .«
»Von wem?« Letztes Mal hatte sie den Tipp erhalten. Sie fragte sich, ob der Informant derselbe war.
»Weiß ich nicht. Ist mir auch egal.«
Sein Aftershave hing schwer in der Luft. »Wieso siehst du so fröhlich aus?«
Er rechtfertigte sich in keiner Weise. »Nichts würde mich fröhlicher stimmen, als Detective Warwick zu ärgern. Seine Andeutungen neulich haben mir gar nicht gefallen.«
»Er hat nur seine Arbeit gemacht, genau wie wir.«
Brett umklammerte das Lenkrad fester. »Wenn du mich fragst, übertreiben es manche Cops mit der Autorität.«
»Manche vielleicht. Aber nicht er.«
Brett warf ihr einen Blick zu. »Klingt, als würdest du den Kerl mögen.«
Das tat sie auch. Sehr. Aber das war das Letzte, was sie Brett auf die Nase binden würde. »Er hat mir letzten Sommer das Leben gerettet. Ohne ihn wäre ich verblutet.«
Das besänftigte Brett ein wenig. »Fass ihn nur nicht mit Samthandschuhen an. Ich will, dass du bei dieser Story richtig rangehst. Jetzt, wo es drei Opfer gibt, wird im ganzen Land darüber berichtet werden, und ich will, dass Channel 10 den Ruhm einheimst.«
Kendall wollte über die Story berichten, weil die drei ermordeten Frauen verdienten, dass man ihre Geschichte erzählte. Sie verdienten es, dass man ihrer gedachte und ihnen Gerechtigkeit erwies. Es war nicht persönlicher Ehrgeiz oder der Hunger nach öffentlicher Anerkennung, was Kendall in diesem Fall antrieb.
Eine Viertelstunde später bogen sie auf die Hauptstraße des Gewerbeparks ein. Sie folgten der gepflegten Straße etwa achthundert Meter, dann sahen sie das Blaulicht der Streifenwagen. Brett hielt auf dem Parkplatz eines mehrstöckigen Gebäudes, das sich hundert Meter vom Tatort entfernt befand. Der Wagen von Channel 10, an dessen Steuer Mike saß, kam wenige Sekunden nach ihnen an und parkte neben Brett.
Kendall stieg aus und schlang die Arme zum Schutz gegen die Kälte um sich. Sie brannte darauf, mehr über das Opfer herauszufinden.
Nachdem sie ein paar Worte mit Mike gewechselt hatte, überquerten die beiden den Parkplatz und eine kleine Rasenfläche, die an den Nachbarparkplatz grenzte. Absperrband hielt die wachsende Menschenmenge auf, die sich hauptsächlich aus morgendlichen Joggern und herbeigeeilten Neugierigen zusammensetzte.
Der abgesperrte Bereich war deutlich größer als normalerweise, und sosehr sie sich auch bemühte, es gelang Kendall nicht,
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