Niemand hört dich schreien (German Edition)
finden.«
Jacob hielt sie fest im Arm. »Ich bin sehr gut darin, Menschen aufzuspüren. Wenn du willst, helfe ich dir.«
Es war das Netteste, was ihr jemals jemand angeboten hatte. »Meinst du das wirklich?«
»Ja. Wir kriegen das zusammen hin.«
Der Kofferraum des Autos schwang auf, und Nicole versuchte, ihren schwerfälligen Körper in die hinterste Ecke zu drücken. Der Kopf tat ihr immer noch weh. »Lassen Sie mich in Ruhe!«
Eine Gestalt mit Kapuze und Maske stand über ihr. »Schsch. Kein Grund, sich Sorgen zu machen, Nicole. Es ist alles in Ordnung. Ich bin hier, um dir zu helfen.«
»Dann lassen Sie mich gehen.«
»Das kann ich nicht. Noch nicht.«
»Sie bekommen mein Kind nicht!«
»Schsch. Du machst dir zu viele Sorgen. Ich würde niemals ein Kind von seiner Mutter trennen.« Die Gestalt griff in den Kofferraum und packte sie.
Nicole wehrte sich, aber ebenso gut hätte sie versuchen können, Stahl zu brechen. »Lassen Sie mich gehen!«
Er hob sie buchstäblich mit einem Arm hoch und stellte sie auf den Boden. Ihre Knie zitterten, und ihr Bauch schmerzte vom Gewicht des Kindes. Sie war erschöpft, ausgetrocknet und kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten. Sie versuchte, sich loszureißen, schaffte es aber nicht.
»Wehr dich nicht gegen mich. Es ist nicht gut für das Baby.« Seine Stimme war so unglaublich ruhig. »Ich bringe dich rauf, damit du dich ausruhen kannst.«
In der Dunkelheit erhaschte sie an ihm vorbei einen Blick auf ein großes, weißes Haus. Es war alt und sehr heruntergekommen.
»Haben Sie Dana getötet?«
»Sie war nicht sehr nett zu dir. Sie wollte dein Baby stehlen.« Er begann, sie in Richtung des Hauses zu zerren.
Sie stemmte sich mit den Füßen in den gefrorenen Schlamm. »Nein!«
»Doch.« Er riss sie heftig in seine Richtung, und sie stolperte vorwärts.
Ihr Bauch zog sich zusammen. »Bitte, ich muss in eine Klinik. Ich habe Wehen.«
»Ah, das ist wunderbar, Nicole. Ich kann es kaum erwarten, das Baby zu sehen.« Halb zog, halb trug er sie über die Eingangsstufen des Hauses und durch die Tür. »Ich habe gehört, es ist ein Mädchen. Perfekt.«
Panik stieg in Nicole auf, als sie sich in der dunklen Eingangshalle umsah. Es roch nach Moder und Schimmel. Oben an der Treppe brannte Licht. »Ich kann mein Baby nicht hier bekommen. Ich kann nicht!«
»Doch, das kannst du. Dieses Haus hat schon viele Geburten gesehen.«
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie stemmte sich mit aller Kraft gegen ihn, als er begann, sie die Treppe hinaufzuziehen. »Lassen Sie mich los!« Sie fing an zu schreien.
»Niemand kann dich hören.«
Sie schrie noch lauter.
Er sagte erst etwas dazu, als sie vom vielen Schreien kaum noch Luft bekam. »Das ist weder für dich gut, noch für das Kind. Du musst ruhig bleiben.« Er zog sie weiter und stieß mit dem Stiefel eine Tür auf.
Der hell erleuchtete Raum dahinter stand in völligem Gegensatz zum Rest des Hauses. Er war für ein kleines Mädchen eingerichtet – mit rosa Wänden, rosa Teppich und einem weißen Himmelbett voller Stofftiere.
»Wir sind da«, sagte er.
Nicole wurde von Todesangst gepackt. »Lassen Sie mich nicht hier zurück.«
Durch die Maske starrten dunkle Augen sie an. Er stieß sie in das Zimmer, zog schnell die Tür hinter ihr zu und schloss ab.
Nicole hämmerte gegen die Tür.
»Keine Angst, Nicole«, sagte der Mann. »Keine Angst. Bald kommt das Baby, und dann sind wir eine Familie.«
»Wer sind Sie? Warum tun Sie das?«
»Bald wirst du es sehen.«
Er entfernte sich, und seine Schritte verklangen.
Nicole legte eine Hand auf ihren Bauch. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie hämmerte gegen die Tür, bis ihre Hände schmerzten. Dann lehnte sie sich völlig erschöpft gegen die Tür und ließ sich zu Boden gleiten.
21
Dienstag, 22. Januar, 7:00 Uhr
Jacobs Geruch haftete noch immer an Kendalls Haut, als sie an der Haustür stand und zusah, wie er zu seinem Auto ging. Er bewegte sich zielstrebig, wie jemand, der wusste, was er wollte. Er öffnete die Fahrertür und hielt inne. Mit ernster Miene schaute er zum Haus zurück, dann traf sein Blick ihren, und sein Gesichtsausdruck wurde weicher. Er nickte ihr zu, setzte sich hinters Steuer und fuhr davon.
Kendall lächelte. Sie fühlte sich nicht allein. Und sie glaubte an ihn.
Kendall ging zu Nicoles Zimmer. Sie hatte ihre Mitbewohnerin letzte Nacht nicht heimkommen hören, nahm aber an, dass sie zurück war. Leise klopfte sie an die Tür. Nichts
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