Niemand hört dich schreien (German Edition)
allein lassen?«
Die beiden rührten sich nicht vom Fleck.
»Das geht nicht«, erwiderte Jacob. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit müssen wir hören, was Ihre Mutter zu sagen hat.«
Furcht ballte sich in Adriannas Magen zusammen. Sie konnte kaum sprechen. »Bitte, nur ein paar Minuten.«
Margaret schüttelte den Kopf. »Lass sie hierbleiben. Wenn es stimmt, was sie über diese Morde sagen, will ich, dass sie hierbleiben. Vielleicht brauchst du ihre Hilfe.«
Tief in Adriannas Innerem bahnten sich alte Zweifel einen Weg an die Oberfläche. Irgendwie hatte sie nie richtig in ihre Familie gepasst. Bei Familientreffen war sie die Blondine, so ganz anders als ihre dunkelhaarigen Cousinen. Diejenige, die Kunst liebte und Mathe hasste.
»Warum sollte ich Hilfe von der Polizei brauchen?« Trotz der zunehmenden Panik in den Augen ihrer Mutter klammerte Adrianna sich an die Vernunft. »Ich habe diese Frauen nicht gekannt. Ich habe nichts mit ihnen gemeinsam.«
Margaret atmete tief durch. »Vielleicht doch.«
Ihre Mutter hatte schon immer einen Hang zur Dramatik gehabt. Aus einer Mücke konnte sie einen Elefanten machen. Doch ihr unverwandter Blick alarmierte Adrianna. »Was meinst du damit? Welche Verbindung habe ich zu diesen Frauen?« Sie nahm selbst die leichte Hysterie in ihrer Stimme wahr. »Ich bin nicht adoptiert.« Der letzte Satz entsprang nackter Verzweiflung. Gott, ihre Mutter musste es ihr einfach bestätigen.
Margaret schüttelte den Kopf. »Doch, du bist adoptiert.«
Dies alles war wie ein schlechter Traum. Sicher würde sie jeden Moment aufwachen. Oder noch besser, irgendein Promi würde hereinschneien und ihr mitteilen, dass man sie mit versteckter Kamera hereingelegt hatte. Nichts davon geschah. »Aber ich habe doch die Bilder aus deiner Schwangerschaft gesehen. Du hast mir erzählt, dass es eine lange Geburt war.«
»Ich war nicht mit dir schwanger.« Zitternd holte Margaret tief Luft.
Adrianna drehte sich der Kopf. »Ich verstehe nicht.«
»Ich muss mich setzen«, sagte Margaret.
Adrianna führte ihre Mutter zu einem Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. Die Polizisten sahen weiter reglos zu. »Erzähl es mir.«
»Ich liebe dich.«
»Erzähl es mir.«
Tränen liefen Margaret übers Gesicht, während sie von den damaligen traumatischen Erlebnissen erzählte. »Kurz vor deiner Geburt brachte ich ein kleines Mädchen zur Welt. Sie war so süß, so perfekt. Sie war mein Ein und Alles. Meine süße Adrianna.«
Adrianna versteifte sich. » Ich bin Adrianna.«
Margaret seufzte. »Es war auch ihr Name.«
Adrianna war sprachlos. Ihre Mutter hatte sie gar nicht geboren. Sie trug den Namen eines toten Kindes? Erschütterung und Zorn ließen ihre Stimme hart klingen. » Erzähl es mir. «
»Eines Morgens ging ich zu ihr, um nach ihr zu schauen. Sie war erst vier Wochen alt. Normalerweise wachte sie früh auf und strampelte und versuchte, sich zu drehen. Aber an diesem Morgen war sie ganz ruhig. Ich fasste sie an, und sie war kalt.« Margaret hob ihre zitternde Hand zur Schläfe, als verursache die Erinnerung ihr Kopfschmerzen. »Ich weiß noch, dass ich nach deinem Vater geschrien habe. Als er hereinkam und unser kleines Mädchen so sah, rief er unseren Hausarzt an. Der Arzt wohnte im Nachbarhaus und kam sofort herüber. Er sagte uns, dass wir unsere Tochter durch den plötzlichen Kindstod verloren hatten.«
Adriannas Herz schlug schneller, auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. Sie glaubte, sich übergeben zu müssen.
»Ich war damals am Boden zerstört. Ich wollte sterben. Dein Vater geriet in Panik. Er hatte schreckliche Angst, ich würde versuchen, mir etwas anzutun.« Margaret lächelte. »Dein Vater hatte als Jurist alle möglichen Verbindungen. Er hörte von einem Baby, das man gerade aus desolaten Verhältnissen herausgeholt hatte.«
»Das war ich?«
»Ja. Er setzte alle möglichen Hebel in Bewegung. Es war auch Geld im Spiel, aber er achtete darauf, dass auf dem Papier alles korrekt ablief. Innerhalb kürzester Zeit legte er dich mir in die Arme. In dem Moment hatte ich das Gefühl, mein Leben wiederzuhaben. Ich fühlte mich wieder ganz. Ich habe nie mehr zurückgeschaut.«
Adriannas Gesicht rötete sich. In einem einzigen Augenblick war ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden. Alles, was sie für wahr gehalten hatte, war eine Lüge.
Margaret legte ihre Hand auf die von Adrianna. »Ich liebe dich.«
Adrianna zog die Hand weg. »Wirklich?« Der Drang, um sich zu schlagen, war
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