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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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geklingelt. Es gab kleine Tütchen mit Süßigkeiten für die Kinder.«
    Die Frau neben dem winzigen Spiderman und dem schwarzen Ninja hatte schulterlanges, dunkles Haar, das von ein paar grauen Strähnen durchzogen war. Sie trug einen orangefarbenen Pullover und lächelte übers ganze Gesicht. Im Arm hielt sie ein riesiges Glas mit Lutschern.
    Das war Jackie White. Der Kontrast zwischen dem Foto und der Leiche am Fluss traf Jacob unvorbereitet. Diese Frau war so voller Leben. Strahlend.
    Um ihren Hals hing keine Kette, aber vielleicht wurde sie ja vom Pullover verdeckt. Wieder musste Jacob an Kendall Shaw denken. »Hat sie je eine Ruth erwähnt?«
    Betty überlegte kurz. »Nein.«
    »Es könnte ein Spitzname sein«, meinte Zack.
    Der kleine Junge fasste nach der Nase seiner Mutter, doch sie entwand sich seinem Griff. »Kann schon sein, aber ich habe den Namen nie von ihr gehört.«
    »Vielleicht die Mutter, eine Schwester, eine Tante?«, fragte Zack weiter.
    »Glaube ich nicht. Sie hat keine Familie. Ich meine, ihre Eltern sind schon verstorben. Und sie hat einmal erwähnt, dass sie ein Einzelkind ist.«
    »Was können Sie uns über sie erzählen?«, fragte Zack.
    »Sie war immer freundlich zu mir. Und sie liebt die Kinder und hält ihren Garten in Ordnung.« Nach dem letzten Satz lächelte sie ein wenig verlegen. »Ich mag sie, aber mit den Kindern habe ich nicht viel Zeit, um Bekanntschaften zu pflegen. Und sie arbeitet immer ehrenamtlich in ihrer Kirche.«
    »Wissen sie, welche Kirche das ist?«, fragte Jacob.
    Betty dachte kurz nach. »Die Methodistenkirche in Glen Allen, glaube ich.«
    Zack sah sie mit düsterer Miene an. »Sie sagten, der Ehemann heißt Phil White?«
    »Ja.«
    Jackie war erwürgt worden. Erwürgen war eine sehr intime Art des Mordens, die engen Körperkontakt erforderte. Und ihre Kleidung war intakt gewesen, als hätte jemand versucht, ihre Würde zu bewahren. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein wütender Ehemann Reue verspürte, nachdem er seine Frau getötet hatte. »Hatte sie sonst Freunde, Verwandte, irgendwelche Besucher?«, hakte Zack nach.
    »Tut mir leid, das weiß ich wirklich nicht.« Wie auf ein Stichwort nahm der Vierjährige eine Ninja-Pose ein und trat nach einem Küchenstuhl. Betty warf ihm einen zornigen Blick zu und lächelte dann Jacob und Zack entschuldigend an. »Es ist schlimm, wenn man seine Nachbarn nicht kennt. Aber ganz ehrlich, an manchen Tagen weiß ich kaum, wo mir der Kopf steht.«
    »Haben Sie einen Schlüssel zu ihrem Haus?«, fragte Jacob. »Ich werde einen Durchsuchungsbefehl beantragen, und es wäre schön, wenn wir nicht einbrechen müssten.«
    Betty lächelte. »Was das angeht, kann ich Ihnen helfen.« Sie öffnete eine Schublade neben dem Herd, die mit allerlei Krimskrams vollgestopft war. Sie wühlte eine ganze Weile darin, bis sie den Schlüssel fand, der an einem Anhänger mit den Umrissen von Texas hing. »Hier ist er.«
    Jacob nahm den Schlüssel entgegen. »Danke.« Er notierte sich Bettys vollen Namen, ihre Adresse und ihre Telefonnummer.
    Inzwischen wirkte ihr Gesicht blass. Sie schaute zu den Kindern hinüber, denen kein Wort entgangen war. »Ist Jackie etwas zugestoßen?«, flüsterte sie.
    Jacob rang sich ein Lächeln ab, doch er bezweifelte, dass es sonderlich beruhigend wirkte. »Ich kann wirklich keine Einzelheiten nennen, bevor ich mit dem Ehemann gesprochen habe.«
    »Aber Sie geben mir Bescheid?«
    Jacob sah die Sorge in ihren Augen. »Wir melden uns.« Er gab ihr das Foto zurück.
    »Wenn Sie denken, dass es Ihnen nützen könnte, behalten Sie es.«
    Er nickte und steckte das Bild ein. »Danke.«
    Die beiden Polizisten verließen das warme Haus und traten hinaus in die erfrischende Kälte. Sie kehrten zum Wagen zurück, riefen ihren Sergeant an, um Bericht zu erstatten, und leiteten den Antrag auf einen Durchsuchungsbefehl in die Wege.
    Zwanzig Minuten vor Ausstrahlung der Sechsuhrnachrichten saß Kendall Shaw am Schminktisch und trug den Lippenstift fertig auf. Sie schminkte sich immer selbst, seit sie beim Modeln zu College-Zeiten ein paar der besten Kniffe der Branche kennengelernt hatte. Sie drückte die Lippen auf ein Kosmetiktuch und betrachtete sie kritisch.
    Nach ihrem heutigen Besuch am Tatort hatte Kendall Mikes Filmmaterial in Augenschein genommen und sich eine Kopie angefertigt. Mehr als dreißig Sekunden davon konnte sie nicht verwenden, denn es gab einfach nicht mehr zu berichten. Sie hatte mit dem Landvermesser gesprochen,

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