Niemand hört dich schreien (German Edition)
vereinbaren.«
Jacob trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. »Ich bin gerade mitten in den Ermittlungen zu einem Mordfall.«
»Sie sind immer gerade beschäftigt. Ich allerdings auch.« Er hörte sie in ihrem Terminkalender blättern. »Freitagnachmittag bin ich im Krankenhaus. Wie wäre es mit drei Uhr?«
Die Muskeln in seinem Rücken verspannten sich, als hätte man ihn beim Boxen gegen die Seile geworfen. »Nicht gut.«
»Falls Sie dann nicht gerade ein Organ spenden, Detective, erwarte ich, dass sie zu mir ins Büro kommen.« Er stellte sich vor, wie sie ihn mit ihren durchdringenden blauen Augen über ihre schwarze Lesebrille hinweg ansah. Während ihrer gemeinsamen Sitzungen im vergangenen Herbst hatte sie das oft getan. Sie war nicht auf den Kopf gefallen und verstand sich darauf, Schwächen zu erkennen.
»Das schaffe ich nicht.«
»Muss ich Ayden anrufen, damit er Sie suspendiert, bis Sie es schaffen?«
Jacob wurde langsam wütend. »Das werden Sie nicht tun.«
»Wenn Sie in mein Büro kommen, ist alles in Ordnung. Falls Sie den Termin platzen lassen, haben wir ein Problem.«
Sie saß am längeren Hebel, daran war nicht zu rütteln. »Okay. Drei Uhr. Freitag.«
»Gut.«
Er knallte den Hörer auf. »Diese Ärztin treibt mich noch in den Wahnsinn.«
Zack tippte mit dem Finger gegen seinen Styroporbecher. »Dr. Christopher, nehme ich an.«
»Genau.«
»Sie ist eine kluge Frau und kennt sich in ihrem Fachgebiet gut aus.«
»Ich war sechsmal bei ihr. Ich habe meine Pflichtstunden abgesessen. Es hat keinen Sinn, noch weiter in der Vergangenheit zu graben. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich bin darüber hinweg.« Das sagte er oft, und meistens glaubte er es auch.
»Ein paar weitere Termine werden dich schon nicht umbringen. Sitz es einfach ab und bring’s hinter dich.«
Wenn Jacob im Ring rückwärts gegen das Seil gedrückt wurde, wusste er, was zu tun war: vorpreschen und die Fäuste kreisen lassen. Aber bei der Ärztin begann er über Dinge nachzudenken, die er um jeden Preis ruhen lassen wollte.
Das Telefon klingelte erneut. Er riss den Hörer hoch. »Warwick.«
Es war Connie Davidson von der Vermisstenstelle. Ihre raue Stimme drang kratzend durch die Leitung. »Ich habe möglicherweise einen Treffer für diese Unbekannte, die ihr heute Morgen gefunden habt.«
»Super.«
Papier raschelte, während sie in ihren Aufzeichnungen blätterte. »Wir hatten einen Anruf von einer Betty Smith. Sie sagt, ihre Nachbarin sei seit ein paar Tagen verschwunden. Der Name der Frau ist White, und die Beschreibung der Unbekannten passt auf sie.«
»Wie lautet ihr vollständiger Name?«
»Jackie Taylor White. Wohnhaft Mayberry Drive 103, Richmond.«
»Jackie?« Das passte nicht. »Auf dem Amulett an ihrer Halskette stand Ruth .«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
Jacob runzelte die Stirn. »Klar. Danke.« Er legte auf und brachte Zack auf den neuesten Stand.
Zack nickte. »Ich hole meinen Mantel. Wir können gleich hinfahren.«
Eine Viertelstunde später saßen sie in Jacobs Wagen. Die Heizung lief auf Hochtouren, als sie auf der Parkham Road in Richtung Süden fuhren. Der Berufsverkehr, gepaart mit der anhaltenden Glätte auf den Straßen, ließ sie nur langsam vorankommen. Es dauerte fast zwanzig Minuten, bis sie vor dem kleinen, einstöckigen Backsteinhaus hielten.
Schnee bedeckte den Rasen vor dem Haus, und unter einem großen Panoramafenster hing ein Blumenkasten mit braunem, eisverkrustetem Efeu.
Jacob und Zack stiegen aus dem Wagen und gingen über den rissigen Plattenweg zur Haustür. Unter dem Vordach lagen drei Zeitungen.
Jacob klingelte, und das Echo hallte im Haus wider. »Sieht so aus, als wäre sie ein paar Tage nicht hier gewesen.«
Zack runzelte die Stirn. »Drei Zeitungen. Drei Tage. Sie ist seit Freitag verschwunden.«
»Möglich.« Niemand öffnete, weshalb Jacob erneut klingelte. Als das keinen Erfolg brachte, hämmerte er gegen die Tür. Die beiden Detectives gingen um das Haus herum in den Garten und schauten in den Hauswirtschaftsraum. Nirgendwo ein Lebenszeichen. »Sie hat wohl allein gelebt.«
»Reden wir mit der Nachbarin«, schlug Zack vor.
Sie marschierten durch den Garten zu einem Haus, das ganz ähnlich aussah. Hier hingen allerdings noch Lichterketten von Weihnachten am Dach und in mehreren kahlen Sträuchern im Vorgarten. Es gab auch einen Schneemann, einen roten Plastikschlitten und einen blauen Eimer, der mit Schnee, Steinen und Zweigen gefüllt
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