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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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sprach. »Meine Schulter. Ich wurde angeschossen. Reha.«
    Jacob runzelte die Stirn, und die Türen schlossen sich. »Ach ja.«
    Schweigen breitete sich aus, während sich beide bemühten, die Tatsache auszublenden, dass es sein Ziehvater gewesen war, der Kendall angeschossen und beinahe getötet hatte. Jacob bewegte die Finger.
    Kendall war eine Expertin darin, Körpersprache zu entziffern. So wie eine Zigeunerin in Teeblättern las, las sie in den Menschen. Es brachte Detective Warwick schier um den Verstand, dass sein Ziehvater ein Mörder gewesen war. Sosehr der Kerl sie auch zur Weißglut bringen konnte, er tat ihr unwillkürlich leid. Die ganze Sache hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen.
    »Der Arzt sagt, ich werde komplett wiederhergestellt.« Kendall ließ ihre Stimme optimistisch klingen. Solange Warwick auf der Höhe war, hatte sie kein Problem damit, sich mit ihm anzulegen, aber es hatte ihr noch nie Spaß gemacht, jemandem einen Tritt zu versetzen, der schon am Boden lag.
    Er blickte ihr forschend ins Gesicht. »Das freut mich.«
    In seiner Nähe fühlte sie sich immer lebendig und voller Energie. »Und was führt sie an einem Freitagnachmittag hierher? Ein Fall?«
    Er zögerte. »Ja.«
    »Wollen Sie mir nicht davon erzählen?«
    Er verdrehte die Augen. »Sind Sie immer so neugierig?«
    Sie lachte. »Das ist eines der Dinge, in denen ich am besten bin.«
    Die Türen öffneten sich. Jacob legte die Hand vor die Lichtschranke, damit sie sich nicht wieder schlossen. Er wandte sich Kendall zu. »Es tut mir leid.«
    »Was denn?«
    »Pete.«
    Sie begriff, dass dieser Wortwechsel ihn einige Mühe kostete. »Wieso? Sie wussten doch nichts von dem, was er tat.«
    »Ich hätte es wissen müssen.«
    Typisch Mann. »Können Sie denn Gedanken lesen?«
    »Nein.«
    »Dann hören Sie auf, sich selbst zu quälen.«
    »Er hat Sie beinahe umgebracht«, presste er hervor.
    Es wäre so leicht gewesen, sich in Selbstmitleid zu ergehen. Kendall hatte beschlossen, es nicht zu tun. »Ich bin ein großes Mädchen, Detective. Und ich habe ihn absichtlich provoziert. Ich wollte eine Story. Eine Reaktion. Und die habe ich bekommen. Ich gebe niemandem außer Pete Myers die Schuld.«
    Jacobs Stirn legte sich in Falten. Eine ganze Weile schwieg er. »Sie können das so einfach abhaken?«
    »Ja.«
    »Ich dachte, Sie wären stinksauer auf mich.«
    Kendall trat einen Schritt vor, und er ließ die Hand sinken, damit sie an ihm vorbei in die Eingangshalle gehen konnte. Sie richtete sich auf und ließ ihre Stimme gänzlich emotionslos klingen. »Nur Opfer bemitleiden sich selbst. Sie grämen sich wegen Dingen, auf die sie keinen Einfluss haben. Und ich bin kein Opfer. Und wenn ich das mal so sagen darf, Detective Warwick, Sie sind es auch nicht.«
    Die Sonne war untergegangen, als Allen im Schatten verborgen zusah, wie sie das Spirituosengeschäft in der Nähe des Mercy Hospital verließ. Sie drückte eine braune Papiertüte an sich und ging um die Dampfschwaden herum, die von einem Gully aufstiegen.
    Judith war wunderschön. Ihr dunkles Haar war kürzer, als es ihm gefallen hätte, und die violetten und roten Strähnen standen ihr nicht, aber er sah darüber hinweg. Sie trug löchrige Jeans und eine Lederjacke. Sie wirkte eher wie eine Herumtreiberin als wie die anständige Frau, die in ihr steckte, wie er wusste.
    Trotz ihrer Unzulänglichkeiten hätte er gern ihr Haar berührt. War es weich? Duftete es nach Kokosnuss, wie das von Ruth?
    Allens Muskeln kribbelten vor Vorfreude. Es war schwer, sich zurückzuhalten, wenn er doch so gern in ihr Haar gegriffen, ihre Haut berührt und ihre Lippen geküsst hätte. Er wollte, dass sie zur Familie kam.
    Eigentlich hatte er noch eine Woche warten wollen, bevor er sie in den Schoß der Familie zurückkehren ließ, aber die ständige Einsamkeit nagte an ihm. Er überquerte die Straße und hielt sich in angemessenem Abstand.
    In der Nähe des Gässchens blieb sie stehen. Sie warf einen Blick in den schmalen Durchgang, als würde sie das Passieren einer dunklen Gasse gegen die Zeitersparnis abwägen.
    Sie straffte die Schultern und setzte sich in Bewegung.
    Er folgte ihr, wartete aber am Eingang zu dem Gässchen, bis sie in der Mitte angelangt war und unter einer trüben Straßenlaterne hindurchging. Schnell lief er die schmale Gasse entlang, die nach Müll und Urin stank. »Judith!«
    Sie drehte sich nicht um, und er begriff, dass sie Ohrstöpsel trug. Sie hörte Musik. Zwischen Ärger und

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