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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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nicht in Frage. Aber ich brauchte ihn nur anzusehen und fasste wieder Vertrauen. Er war ein bisschen dicker geworden, erschien mir auch etwas älter als in meiner Erinnerung, doch das machte ihn in meinen Augen nur umso verlässlicher. Wir fuhren zum selben Bungalow, den uns einer seiner Freunde schon einmal zur Verfügung gestellt hatte, und sprachen uns aus. Er sagte mir in harten Worten, wie enttäuscht er gewesen war, dass ich in Paris mit einem Mann hatte leben können. »Er war nur ein Freund!«, beharrte ich.
    »Zwischen einem Mann und einer Frau ist Freundschaft nicht möglich!«
    Was hatte ich anderes erwartet! Typisch libysch! Dann erzählte er mir, dass Leute aus Bab al-Aziziya ihn bei seinen Eltern gesucht hatten. Dass sie seinen Bruder verhaftet hatten, während er selbst nach Tunesien gegangen war. Dass er allen möglichen Repressalien ausgesetzt worden sei: Morddrohungen, Abhören seines Telefons, Beschattung. Man hatte ihn auf seiner Arbeitsstelle denunziert, und unsere Geschichte, die ausgiebig verbreitet worden war, hatte ihm den Ruf des »Geliebten einer Gaddafi-Hure« eingebracht. Selbst seine engsten Freunde sagten zu ihm: Aber du kannst doch keine Nutte heiraten!
    Da bekam ich Angst. Und meine Eltern? Was hatten sie erduldenmüssen? Welche Erpressungen, welche Drohungen, welche Strafen? Zu sehr mit meinem eigenen Überleben beschäftigt, hatte ich an sie gar nicht gedacht. Womit hatte der Führer sie büßen lassen, dass sie mir zur Flucht verholfen hatten? Ich musste sie sofort sehen. »Fahr mich zum Flughafen zurück«, sagte ich zu Hicham. »Ich werde meine Eltern anrufen und ihnen sagen, dass ich gerade gelandet bin.«
    Schweigend fuhren wir die Strecke zurück. Ab und zu warf er mir traurige Blicke zu. Ich war in meine Gedanken versunken. War es vorstellbar, dass Bab al-Aziziya uns jemals in Frieden lassen würde? Ich rief meine Eltern an, die ebenfalls fassungslos waren über meine überraschende Rückkehr, und setzte mich in die Halle, um auf sie zu warten. Da lief mir Amal G. über den Weg, die mit ihrer älteren Schwester nach Tunesien fliegen wollte.
    »Soraya! Was für eine Überraschung! Wohin willst du? Ich habe gehört, du seist in Paris!«
    »Überhaupt nicht!«
    »Lüg nicht! Ich habe es recherchiert. Ich habe Hicham getroffen, und ein Freund am Flughafen hat mir erzählt, wie du rausgekommen bist.«
    »Es lebe die Solidarität!«
    »Du irrst dich! Ich habe meine Informationen für mich behalten. Aber du kannst dir denken, dass Mabruka und Muammar fuchsteufelswild sind ...«
    Papa kam mit meiner kleinen Schwester, die ich sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Er bestätigte mir, dass Bab al-Aziziya unablässig nach mir gesucht und alle möglichen Druckmittel angewandt hatte, damit er dafür sorgte, dass ich wieder auftauchte. Mehr sagte er mir nicht. Meine kleineSchwester konnte – theoretisch – nichts von der Sache wissen, ihn beschäftigte vor allem, was ich meinem Bruder Aziz erzählen würde, der gerade aus England zurückgekehrt war. Ich sollte mir vor allem keinen Schnitzer leisten: Für alle galt, dass ich von einem langen Aufenthalt bei meinen Onkeln und Tanten in Tunesien zurückkehrte.
    Als wir allein waren, ließ er seinem Zorn und seiner Bitterkeit freien Lauf. »Warum bist du zurückgekommen? Warum begibst du dich wieder in die Höhle des Löwen? Warum, Soraya? Ich bin alle Risiken eingegangen. Ich war bereit zu sterben, um dich zu retten. Aber hier kann ich nichts tun, um dich zu schützen. Überhaupt nichts, und das macht mich wahnsinnig! Es war mir gelungen, dich in Sicherheit zu bringen in einem freien Land, und diese Chance hast du verspielt! Nach Libyen zurückzukehren war der reine Wahnsinn! Wahnsinn, dich der Willkür von Bab al-Aziziya erneut auszusetzen!«
    Am nächsten Morgen machten wir uns sehr früh auf den Weg nach Sirte. Wir haben in den vier, fünf Stunden Fahrt wenig miteinander gesprochen. Mein Vater, das spürte ich, war nicht zu besänftigen. Wir sind zu Mama in den Frisiersalon gefahren, sie nahm mich in die Arme. »Du bist schmal geworden. Wie schön du bist ...« Sie trat ein Stück zurück, hielt meine Hände in den ihren und betrachtete mich. »Allenfalls ein bisschen zu braun.« Ich sagte ihr nicht, dass diese ungewohnt dunkle Hautfarbe von dem Solarium herrührte, zu dem Warda mich gedrängt hatte, noch unmittelbar vor meiner Abreise. Ich weiß, auch Hicham war von diesem neuen »Afro«-Teint nicht begeistert gewesen.
    »Du arbeitest

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