Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)
will dich sehen.« Ich ging nach oben und fand Farida an den Führer geschmiegt, den Kopf auf seiner nackten Brust, die sie streichelte und küsste. Sie jammerte: »Soraya ist ein boshaftesWeib, und verrückt außerdem. Wenn Sie wüssten, mein Gebieter, wie sie mich geschlagen hat!« Mit drohendem Blick in meine Richtung sagte er zu ihr: »Na los, Schlampe. Du darfst ihr eine Ohrfeige geben.« Sie sprang auf und gab mir zwei. »Raus mit dir! Eine einzige, hatte ich gesagt!« Mit seinen irren Augen warf er sie hinaus und wandte sich dann mir zu: »Ah, das gefällt mir! Du wildes Tier! O ja, so was liebe ich! Diese rasende Wut in dir! Dieses Unbändige!« Dann riss er mir die Sachen vom Leib und warf mich aufs Bett.
»Ich bitte Sie! Tun Sie es nicht! Es tut mir zu weh! Ich flehe Sie an!«
»Sie wehrt sich, die Tigerin! Oh, ich liebe dieses neue Temperament. Diesen Furor hast du in Frankreich gelernt, was?«
Da ich stark blutete, nahm er sein rotes Handtuch, um das Blut aufzunehmen. »Das ist gut, ja. Oh, ist das gut!« Ich schrie: »Hören Sie auf! Ich flehe Sie an! Es tut mir zu weh!« Er schleifte mich zur Dusche und urinierte auf mich. Ich brüllte vor Schmerz. Er drückte auf die Klingel, gleich darauf erschien eine Ukrainerin. Claudia. Eine stämmige Rothaarige mit einem Engelsgesicht. Sie nahm mich mit ins Labor, gab mir Schmerzmittel und eine beruhigende Salbe. Sie tat es mit geübten Handgriffen, sie schien es gewohnt zu sein. Ich wollte in mein Zimmer zurückgehen, musste aber wieder umkehren, damit ich nicht etwa einer großen Delegation von Afrikanern begegnete, die den Führer in seinem Zelt treffen wollten.
Am nächsten Morgen sollte die ganze Truppe nach Tripolis heimkehren. Ich pflanzte mich vor Mabruka auf, ich muss etwas Hartes, Unbeugsames, Irres ausgestrahlt haben. »Ich bleibe hier, ich bin krank. Es kommt nicht in Frage, dass ich mitfahre.«
»Du bist ein Dickschädel geworden. Arrogant und unerträglich.Du bist nichts mehr wert! Geh zu deiner Mutter zurück!«
Salma warf mir 1000 Dinar hin wie einer Hure nach getaner Arbeit. »Mach, dass du wegkommst! Der Fahrer wartet schon auf dich.«
Ich stieg rasch in den Wagen. Mein Telefon zeigte ein Dutzend Anrufe von Hicham an, und auch eine Nachricht: »Wenn du nicht antwortest, dann bist du bei dem Andern. Er wird immer der Stärkere sein. Auf so eine erbärmliche Geschichte habe ich keine Lust. Dann mache ich lieber gleich Schluss.« Ich habe das Fenster heruntergekurbelt und mein Telefon hinausgeworfen.
Man setzte mich vor unserem Haus ab, wo Mama sich schon in Sorge verzehrte. Auch sie hatte versucht, mich zu erreichen, sie schien am Ende ihrer Kräfte. »Mama, ich muss ein ganz anderes Leben anfangen«, sagte ich zu ihr. »Ich muss vollkommen neu starten. Bab al-Aziziya, Hicham, das ist nun endgültig vorbei.«
»Hicham? Sag bloß, du hast diesen Kerl wiedergesehen? Also hast du mich schon wieder belogen?«
»Mama! Dieser ›Kerl‹ hat mir die Kraft gegeben, zu überleben. Ich werde ihn niemals vergessen.«
Da sah meine Mutter mich mit angewiderter Miene an. Als wenn ich plötzlich schuldig wäre und nicht mehr Opfer. Als wenn Hicham und Gaddafi zum selben perversen Kosmos gehörten. Es war unerträglich.
Die Atmosphäre zu Hause war von da an höchst gespannt. Allein meine Gegenwart reizte Mama aufs Äußerste. Ich war nicht mehr ihre Tochter, ich war eine Frau, die Männer angerührt hatten und die folglich jeden Wert verloren hatte.Ihre Blicke, ihre Seufzer, ihre Bemerkungen, mit allem stellte sie mich in Frage. Aber sie hielt sich zurück, den wahren Grund ihrer düsteren Gedanken zu nennen. Und dann eines Tages brach der angestaute Groll aus ihr heraus. »Ich kann nicht mehr. Das ist kein Leben mehr. Dein Vater und ich haben das nicht verdient. Und deine Brüder auch nicht! Die ganze Familie ist zum Gespött für die Nachbarschaft geworden.«
»Wovon sprichst du? Wenn Leute davon wissen, dann musst du ihnen ja was erzählt haben!«
»Sie sind doch nicht blöd, Soraya! Alle Welt hat den Zirkus mitbekommen, dein Verschwinden, das Hin und Her mit den Wagen aus Bab al-Aziziya. Was für eine Schande! Wir müssen uns klein machen und waren doch mal eine ehrbare Familie. Oh, dieser entsetzliche Druck! Dieses Kreuz!«
So habe ich es denn vorgezogen, mit Papa nach Tripolis zurückzukehren. Die Stadt war größer, ich würde ein bisschen freier atmen können. Hicham versuchte wieder Kontakt zu mir aufzunehmen. Er stellte sich vors Haus,
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