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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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immer noch, Mama! Du rackerst dich pausenlosab! Warum hörst du nicht auf? Du siehst müde aus, finde ich.«
    »Wo lebst du, Soraya? Wovon sollten wir die Familie ernähren? Wie hätten wir dir Geld nach Paris schicken können, wenn es diesen Salon nicht gäbe?«
    Kaum hatte ich meinen Koffer in unserer Wohnung in der Dubai-Straße abgestellt, erschien Mabrukas Nummer auf meinem Display. Es war, als stieße mir jemand einen Dolch in den Rücken. Ich ignorierte den Anruf. Doch sie rief ein zweites, ein drittes Mal an. Ich war in Panik. Ein Gefühl, als stünde sie im Raum. Schließlich habe ich abgenommen.
    »Hallo?«
    »Guten Tag, Prinzessin!«
    ...
    »Sind wir also zurück von unserer kleinen Frankreichtour?«
    »Wer hat euch gesagt, dass ich in Frankreich war?«
    »Du vergisst, wir sind der Staat. Unsere Geheimdienste wissen alles über dich. Komm auf der Stelle zu deinem Herrn und Gebieter!«
    »Ich bin in Sirte.«
    »Du lügst! Wir haben dich in Sirte gesucht!«
    »Jetzt bin ich hier.«
    »Sehr gut. Wir werden mit deinem Gebieter in der nächsten Woche auch dort sein. Und glaub mir, er wird dich finden.«
    Einige Tage später rief sie wieder an. »Wo bist du?«
    »Im Frisiersalon meiner Mutter.«
    »Ich komme.«
    Sie machten Jagd auf mich. Mir blieb gerade noch Zeit, meiner entgeisterten Mutter Bescheid zu sagen. Und schon meldete sie sich wieder: »Ich bin da. Komm auf der Stelle raus!«
    Ihr Wagen stand vor dem Salon, die hintere Tür geöffnet. Ich stieg ein. Der Chauffeur raste los. Der Alptraum begann von neuem. Ich wusste, wohin wir fuhren. Ich ahnte, was mich erwartete. Aber was blieb mir anderes übrig, wenn ich nicht wollte, dass meine ganze Familie den Preis dafür zahlte?
    Salma empfing mich mit verächtlichem Lächeln. Und Fathia fasste mich beim Arm: »Komm rasch ins Labor. Wir müssen eine vollständige Analyse machen.« Ich leistete keinen Widerstand, ich protestierte nicht, mein Lebensimpuls war erloschen. Ich war ein Automat geworden. Man ließ mich zwei oder drei Stunden warten. Dann bellte Salma mir zu: »Geh rauf zu deinem Gebieter!« Er erwartete mich im roten Trainingsanzug, mit wirrem Haar, satanischem Blick und knurrte: »Komm schon, Schlampe.«
    Den Rest der Nacht verbrachte ich in der provisorischen Bleibe, wo ich schon einmal neben Farida genächtigt hatte. Ich war am ganzen Körper übel zugerichtet, ich blutete, war voller Hass. Ich hasste mich dafür, dass ich nach Libyen zurückgekehrt war. Ich verübelte es mir, dass ich in Frankreich gescheitert war. Ich war unfähig gewesen, mich zu organisieren, die richtigen Leute anzusprechen, einen Job zu finden. Man hatte mich vermutlich seit jenem ersten Tag auf den Champs-Élysées für ein leichtes Mädchen gehalten, für ein Objekt, eine Schlampe, wie Gaddafi sagte. Als wenn dieses Wort wie ein Etikett auf meiner Stirn klebte. Farida begann höhnisch zu kichern und mit meinen Nerven zu spielen.
    »Ich habe schon andere Mädchen erlebt«, sagte sie, »die ins Ausland gegangen sind und dort rumgehurt haben. Einfach erbärmlich! Ehrlos, treulos, ohne Werte und ohne Rückgrat. Flittchen eben. Und dann kommen sie eines Tages mit gesenktem Haupt zu Papa zurückgeschlichen ...«
    Da bin ich ausgerastet. Ich bin aufgesprungen, habe sie geschlagen und rasend vor Wut geschüttelt. Ich war zur Furie geworden, so was kannte ich von mir gar nicht. Ich hatte mich nicht mehr in der Gewalt, ich explodierte. Mabruka erschien und versuchte, uns voneinander zu trennen. Aber ich war wie eine Löwin, die ihre Beute nicht mehr loslässt. Ich krallte mich an Farida fest, die vor Angst heulte, Mabruka wurde lauter und versuchte erneut, mich von ihr wegzureißen. Da schrie ich: »Du sei mal ganz still!« Sie stand da wie versteinert. So hatte noch nie eine mit ihr gesprochen. Die Mädchen kuschten doch alle vor der großen Patronin. Salma, die sofort hereingestürzt kam, gab mir eine Ohrfeige, deren Spuren mir noch lange im Gesicht standen. »Wer bist du, dass du es wagst, so mit Mabruka zu reden?« Mir war, als hätte sie mir den Kopf abgeschraubt.
    Man führte mich durch ein Labyrinth mir unbekannter Korridore zu einer düsteren, abstoßenden Kammer. Sie hatte weder Fenster noch eine Klimaanlage, während draußen an die 40 Grad sein mussten. Ein muffiger Geruch nahm mir den Atem, dann sah ich die Kakerlaken. Ich schluchzte, riss mir die Haare aus, bis ich erschöpft auf die Matratze sank.
    Ein paar Stunden später stand Fathia in der Tür: »Dein Gebieter

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