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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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überall zu finden. Männer, die seine Neigungen teilten und wussten, dass dies der sicherste Weg war, sich Anerkennung und diverse Vorteile zu verschaffen. Auch Frauen, die über den Umweg durch sein Bett begriffen hatten, dass sie beträchtlich absahnen konnten, wenn sie dem Führer geschickt neue Beute zukommen ließen: Ministerinnen, Polizistinnen, Lehrerinnen, Bankerinnen, Friseurinnen, Frauen, die in Hotels arbeiteten, in der Luxuswirtschaft, im Tourismus oder in der Geschäftswelt tätig waren. Und einige Vermittler in Gaddafis Umfeld waren außerordentlich effizient.
    Im Laufe meiner Interviews tauchten die Namen von zwei Männern immer wieder auf: Abdullah Mansur (ehemaliger Chef des Inlandsgeheimdienstes, der zum engsten Kreis des Führers zählte) und Ali al-Kilani, beide gehörten der Armee an, beide hatten sich einen Namen als Dichter und Liedermacher gemacht, hatten als Agenten und Produzenten fürKünstler gearbeitet, dann, einer nach dem anderen, die libysche Generalbehörde für Rundfunk und Fernsehen geleitet, ein wirksames Propagandainstrument. Durch ihre Beziehung zum Showbusiness hatten sie Zugang zu Dutzenden junger – und naiver – Aspiranten in der Fernseh- und Bühnenbranche. Jedes Casting bot neue Beute, ebenso wie die Interviews in Cafés oder Hotels, wo sie sich zunächst als Gönner gaben, bevor sie sich als Rüpel erwiesen. Sie verfügten darüber hinaus über alle wünschenswerten Verbindungen zu Sängerinnen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen aus dem Mittelmeerraum und fanden tausend Vorwände, um die Stars und Sternchen in den Palast des Führers einzuladen oder in eine der schönen Villen, wo zu diesem Zweck Zusammenkünfte und rauschende Feste organisiert wurden. Die junge Moderatorin eines Kinderprogramms des arabischen Senders MBC war Gaddafi aufgefallen? Abdullah Mansur nahm umgehend Kontakt mit der Direktion des Senders auf und lud die Dame nach Libyen ein, um ihr unglaubliches Talent »zu würdigen«. Eine libanesische Journalistin hatte Gaddafis Blicke auf sich gezogen? Sofort setzte man alles daran, um sie nach Tripolis zu holen, und wenn man dafür eine Produktionsgesellschaft für ein vorgetäuschtes künstlerisches Projekt ins Leben rufen musste. Da konnten schon mal beträchtliche Summen (bis zu mehreren Millionen Euro) fließen und auch ein Flugzeug bereitgestellt werden. Abdullah Mansur verfügte über Korrespondenten in zahlreichen arabischen Ländern – in Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien und im Libanon. Die Kommissionen waren vielköpfig, und die Belohnung fiel reich aus, wenn der Führer sich mit den Diensten zufrieden zeigte.
    *
    In den afrikanischen Ländern griff Gaddafi auf die Dienste seiner Diplomaten und einiger Prominenter vor Ort zurück, um auf jeder seiner Reisen Zusammenkünfte mit Frauenverbänden und -organisationen zu gewährleisten. So pflegte er seinen Ruf als Held, der sich für die Sache der Frauen einsetzt, zumal er für seine Teilnahme an derartigen Versammlungen bisweilen die komplette Agenda eines Staatsbesuches oder religiöser Empfänge umkrempelte (etwa anlässlich der Mulud-Feier 2006 in Timbuktu und 2007 in Agadez). Er nutzte jede Gelegenheit, um »Freundschaften« mit ihm ergebenen Frauen zu knüpfen, die er – abgesehen von den Halsketten und den Medaillons mit seinem Bildnis – mit großzügigen Geldspenden versorgte. In der Folge war es an ihnen, sich bei der Planung des nächsten Begrüßungskomitees – er wünschte, spektakulär und voller Verehrung empfangen zu werden – als aufmerksame Kupplerinnen zu beweisen und auf Kongressen, Festen, Festivals, Umzügen, aber auch auf Hochzeiten und Taufen junge Mädchen ausfindig zu machen, die er nach Libyen einladen konnte. Ja, »einladen«. So einfach war das. Gaddafi galt in den »Bruderstaaten« als reich, glanzvoll und großzügig. Die Koffer voller Banknoten, die man in seine Suite schaffte, waren ebenso berühmt – und wurden erwartet – wie seine antiamerikanischen Schmähreden und seine exzentrischen Aufzüge. Jeder fand es völlig normal, dass er immer und überall Einladungen nach Libyen aussprach. Und er verkaufte Libyen dabei stets als »Paradies der Frauen«. Ein junger Libyer, der in Niamey aufgewachsen war, erzählte mir, dass man in den Cafés und Diskotheken der Metropolen von Niger und Mali ständig auf kleine Gruppen junger Mädchen traf, die aufgeregt waren, weil sie am nächsten Tag gemeinsam nach Tripolis fuhren. »Sie habensich nicht versteckt! Sie

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