Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)
Hussain, damit beauftragt, junge Mädchen am Corinthia abzuholen, versicherte, dass eine zum Hotel entsandte ukrainische Krankenschwester ihm mehrmals öffentlich Blut abgenommen habe, um den Frauen, die nach Bab al-Aziziya gefahren werden sollten und die angesichts dieses seltsamen Vorgangs verängstigt waren, zu demonstrieren, dass es sich um eine Gepflogenheit handelte, der sich jeder unterschiedslos zu unterziehen hatte.
Die wohlbekannte Obsession Muammar al-Gaddafis erregte bisweilen durchaus den Zorn ausländischer Politiker. Ein Außenminister des Senegal berichtete voller Empörung, dass er sich strikt geweigert habe, die einzige Frau seines Stabs in Tripolis zurückzulassen, so wie es der Führer forderte, während der Rest der Delegation abreiste. Ein anderer Minister verlangte Erklärungen – die er nicht erhielt –, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, dass man systematisch Schnelltests zur Erkennung von Aids an jungen Malierinnen durchgeführt hatte, die sich auf Einladung in einem Hotel aufhielten. Wieder ein anderer sagte, er habe Fotos abgefangen, die die Emissäre des Führers in Umlauf gebracht hatten, um junge Mädchen ausfindig zu machen, die ihm bei seinem Besuch in Niger aufgefallen waren. Und ein weiterer schließlich erwirkte eine – schnell wieder eingestellte – Untersuchung, als er erfuhr, dass man den Pass einiger junger Mädchen konfisziert hatte, die von Gaddafi »eingeladen« worden waren, und dass die Frauen sich im Hotel Mehari »eingesperrt« fühlten.Die Manie von Nuri Mismari, den Führer mit immer mehr hübschen Frauen zu beeindrucken, provozierte sogar einmal einen handfesten diplomatischen Skandal zwischen Libyen und dem Senegal.
Am 1. September 2001 sollte eine Parade von Hunderten Mannequins aus ganz Afrika zur Feier des 32. Jahrestags der Machtergreifung des Obersts Gaddafi stattfinden. Die libyschen Botschaften in verschiedenen Ländern mussten natürlich ihren Beitrag leisten, sie waren mit beträchtlichen Mitteln ausgestattet worden und dazu angehalten, ihre Beziehungen in der Modewelt – oder im Prostituiertenmilieu – spielen zu lassen. Im Senegal hatte man die Zwillingsschwestern Nancy und Laila Campbell mit der Rekrutierung von Mädchen betraut. Die beiden Töchter eines senegalesischen Schauspielers hatten Gaddafi schon einmal zu Diensten gestanden und erwiesen sich als besonders effizient: Nach einem Casting, das man auf der Straße und in Zusammenarbeit mit einem bekannten Stylisten organisiert hatte, luden sie etwa hundert junge Frauen für eine Woche nach Tripolis ein und verabredeten ein Treffen mit ihnen am 28. August im Flughafen von Dakar. Um sieben Uhr morgens fanden sich die Mädchen an jenem Tag dort ein – groß, schlank, aufwendig zurechtgemacht und voller Hoffnung. Der Zuständige der Libyschen Botschaft sorgte dafür, dass sie zuvorkommend empfangen wurden, während eine vom libyschen Staat auf Malta gemietete Boeing 727 bereits auf dem Rollfeld wartete.
Dann aber, kurz vor dem Start der Maschine, alarmierten die Polizisten und Gendarmen vom Flughafen Léopold Sédar Senghor die Behörden und ließen das Flugzeug stoppen – das auffällige »Frachtgut« hatte sie stutzig gemacht, zumal die Passagiere, einige von ihnen minderjährig, ohne Reisedokumenteund Visa unterwegs waren. Unangenehm überrascht von dem Zwischenfall, reagierte die senegalesische Regierung heftig und erhob den Vorwurf der »Exfiltration« junger Mädchen. Senegals Außenminister Shaikh Tidiane Gadio zeigte sich entrüstet und bezeichnete den Vorfall, in den libysche Diplomaten verwickelt waren, als »inakzeptabel und unfreundschaftlich«; er fügte hinzu, dass der Senegal kein »Durchgangsland« sei. Wenige Stunden später meldete sich der Innenminister Senegals zu Wort, General Mamdou Niang. In einem Kommuniqué verkündete er, dass die Mädchen, die man außer Landes hatte schaffen wollen, offenbar für den Handel mit Prostitutierten auf internationaler Ebene bestimmt gewesen seien und dass er Interpol einschalten werde. Daraufhin stürzte sich die Presse auf das Thema: »Versuch, junge Senegalesinnen außer Landes zu schleusen«, titelte der Sud Quotidien am 30. August, »Staat fordert Erklärung von Libyen«. Tatsächlich wurde der Botschafter Senegals in Tripolis zu Konsultationen nach Dakar einbestellt. Und man entsandte eine libysche Delegation zu einem Treffen mit dem Außenminister und mit dem Kulturminister in den Senegal. Der senegalesische Staatspräsident
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