Niemand ist eine Insel (German Edition)
Hotel, hast du nicht einmal meinen Vornamen genannt. Ich habe genau aufgepaßt.«
»Ich auch«, sagte ich. »Da war nämlich noch jemand dabei.«
»Voilà!«
»Aber die Männer, die die Koffer vom Flughafen zu dir gebracht haben!«
»Da habe ich aufgepaßt«, sagte Suzy triumphierend. »Ich habe mich nicht blicken lassen. Wir haben da diese Kleine, diesen Lehrling, die ist Gott sei Dank doof wie ein Ei. Mit der haben die Männer keine drei Worte gewechselt. Wenn man dich jetzt sucht, wird die Kleine sagen, die Koffer sind gleich darauf wieder abgeholt worden.«
»Von wem?«
»Irgendwem. Waren doch dann meine Männer! Die Doofe kann sich nicht erinnern, konnte es noch nie. Und du, du kriegst die schönsten falschen Papiere. Französisch redest du wie ein Franzose. Du kriegst eine andere Frisur. Du kriegst einen Schnurrbart. Du bist mein Freund. Ein paar Wochen, und alles ist vergessen. Und ich bin meinen Grafen los, und du bist deine Alte los und das Kind – nicht, daß es mir nicht leid tut, mon petit chou, aber ich muß doch an uns beide denken! – und das eine schwöre ich dir: Ich werde dich nie so behandeln wie deine dämliche Alte, die sich liften lassen muß Mitte der Dreißig – die olle Hure. Bei mir bist du der Mann im Hause. Es geschieht, was du willst. Und dann bist du kein Gigolo mehr! Ich werde dir die beste Frau von der Welt sein – du mußt mich nicht heiraten, erschrick nicht, ich bin dir auch so die beste Frau von der Welt. Wenn du nur bei mir bleibst. Also, ist das ein so schlechter Vorschlag?«
Ja, und nun wissen Sie ja schon einiges von mir, mein Herr Richter. Nun werden Sie verstehen, was einem Kerl wie mir damals durch den Kopf gegangen ist, als ich das hörte, was Suzy eben gesagt hatte. Dies ging so einem Kerl wie mir durch den Kopf: Habe ich mir immer gewünscht – plötzlich ein anderer zu sein. Auszusteigen aus meiner Existenz, einzusteigen in eine ganz neue. Aus, Schluß, fini mit diesem Playboy-Dasein. Vorbei das alles!
»Ich habe dich gefragt, ob das ein so schlechter Vorschlag ist, mon petit chou«, hörte ich Suzy sagen.
»Nein«, sagte ich langsam. »So ein schlechter Vorschlag ist das wirklich nicht.« Sie sprang auf und stürzte zu mir und ließ sich auf meinen Schoß fallen, und ich spürte ihren heißen Körper, und sie umschlang und küßte mich wild und griff danach.
»Mein Lieber, mein Liebster!«
»Wenn Babs wirklich taub oder stumm oder blind oder blödsinnig wird, kann ich mich aufhängen«, sagte ich und stierte vor mich hin. Darüber war Suzy außer sich vor Entzücken. »Siehst du! Siehst du! Ich habe es dir ja gesagt! O, mon p’tit chou, was bin ich glücklich!«
Sie küßte mein ganzes Gesicht ab, und ich schrie einmal auf, als sie an die blaugeschlagene Stelle kam, und sie erschrak furchtbar und pustete auf die Stelle.
»Und jetzt besaufen wir uns völlig und machen Musik, und dann tun wir’s, all die süßen Sachen«, sagte Suzy.
»Besaufen ist eine gute Idee«, sagte ich.
Sie sprang auf und riß sich das Mäntelchen vom Leib und tanzte nackt durchs Zimmer, und dann machte sie einen kleinen privaten Tanz direkt vor meiner Nase. Und dann tranken wir und spielten Platten – Gershwin und Cole Porter und Glenn Miller, wir liebten beide diese alte, melodiöse Art des Jazz. Und die ganze Zeit tranken wir und schmusten und streichelten einander und warteten noch mit dem Ins-Bett-Gehen, denn ich wußte, das war eine Eigenart von Suzy: Wenn sie es noch so gerne wollte, zögerte sie es so lange wie nur möglich hinaus, und das war dann auch immer für mich besonders aufregend. So vergingen Stunden, mein Herr Richter, dazwischen machte Suzy starken schwarzen Kaffee, damit wir nicht allzu betrunken waren zuletzt, und so wurde ich immer wieder einigermaßen nüchtern, und dann, gegen fünf Uhr morgens vielleicht, schleppten wir den Plattenspieler in Suzys Schlafzimmer, und sie zog mich aus. Als ich vollkommen nackt vor ihr stand, fiel eine neue Platte vom Zehnplattendorn des Plattenspielers auf den Teller, und es erklang die Stimme von John Williams: »Ô Dieu, merci, pour ce paradis, qui s’ouvre aujourd’hui à l’un de tes fils …«
Ich setzte mich.
»Was ist? Was hast du, Liebling?« rief Suzy erschrocken.
»… pour le plus petit, le plus pauvre fils … merci, Dieu, merci, pour …«
Aber da war ich schon bei dem Plattenspieler und hatte die Nadel weggerissen (es kreischte), und ich ruinierte fast den ganzen Apparat bei meinem Versuch,
Weitere Kostenlose Bücher