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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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erzählen mußte, mein Herr Richter? Die wäre mir sonst noch übergeschnappt, die war knapp vor dem Überschnappen gewesen beim Ausmalen all dessen, was sie für mich tun konnte, ich hatte sie mit Mühe zum Schweigen gebracht.
    »Suzy, ich habe nichts ausgefressen!«
    »Die Concierge hat so komisch geschaut, als die Koffer kamen, so feine Koffer, aber die Concierge kann mich …«
    »Suzy!« Weil sie im besten Begriff stand, mich umgehend mit Falschgeld, falschem Paß und Maschinenpistole zu versorgen, hatte ich sie angebrüllt. Das hatte gewirkt. »Hol was zu trinken. Du wirst es brauchen. Ich erzähle dir alles …«
    Ich hatte ihr also alles erzählt, absolut alles, da gab es nichts, was ich verschwiegen hätte. Tja, und nun, am Ende meiner Erzählung, sagte Suzy: »Verrückt. Total verrückt, das bist du.«
    »Wieso?« fragte ich. In einem Bistro auf der Fahrt zu ihr hatte ich mir ein paar Sandwiches gekauft und hastig hinuntergeschlungen. Nun lagen sie mir schwer im Magen. Ich trank eine Menge Calvados, weil ich Angst hatte, die Sandwiches könnten nicht gut gewesen sein, ich könnte krank werden, krank, ich, jetzt, und das wäre dann überhaupt das Ende von allem gewesen. »Du verfluchter, verrückter Hund! Du bist verrückt, weil du da noch immer mitspielst in diesem Drecksspiel«, sagte Suzy. Der Mantel glitt unten ganz auf. Ich sah mir das alles an, aber so sehr mich das sonst immer heiß gemacht hatte, allein die Vorstellung, so kalt ließ es mich jetzt. Ich war gespannt auf Suzys Argumentation. Ich konnte nicht mehr klar denken. Suzy schon. Sie war eine Frau mit Verstand. Und sie kannte das Leben. Also nun laß mal hören, was sie vorzubringen hat. Und lieber noch einen Calvados. Das Roastbeaf hat gar nicht gut ausgesehen …
    »Ich muß es doch mitspielen, dieses Drecksspiel«, sagte ich.
    »Gar nichts mußt du müssen«, sagte Suzy und zog die Beine an, hinein in dieses Plastik-Ding, diesen Plastik-Fauteuil. »Niemand muß müssen«, sagte Suzy und trank ebenfalls Calvados. Sie neigte sich vor. Die Baby-Stimme war plötzlich weg, sie sprach ernst: »Schön, nehmen wir an, das Gör kratzt ab. Okay. Aber wer garantiert das? Was ist, wenn sie das Gör durchbringen?«
    »Dann ist auch alles okay«, sagte ich und trank Calvados. (Auch der Käse war nicht mehr ganz frisch gewesen. Verfluchtes Bistro.)
    »Laß mich ausreden, ja?«
    »Verzeih, mon petit chou.«
    »Wenn sie also das Gör durchbringen, und es wird nie mehr richtig gesund, meine ich, sondern blind oder stumm oder taub, oder es wird ein Idiotenkind, meine ich«, sagte Suzy ernst. »Wie stellst du dir dann deine Zukunft vor? Ich … Ich liebe dich, mein Kleiner. Du bist der erste Mann in meinem Leben – bitte, nicht lachen! –, den ich wirklich liebe. Du sollst bitte nicht lachen.«
    »Ich lache ja gar nicht«, sagte ich.
    Sie zündete sich eine Zigarette an. »Und weiß du auch, warum ich dich so sehr liebe, warum du der erste bist in meinem Leben, warum ich nie mehr einen anderen werde lieben können?«
    »Warum?«
    Sie sagte – der Mantel war aufgegangen, nackt saß sie vor mir, angezogen saß ich vor ihr, zwischen uns der Babybel-Käse-Tisch –: »Du hast mir jetzt alles erzählt. Das war großartig von dir. Das Vertrauen, das du zu mir hast, meine ich.«
    »Nun heul man nicht gleich«, sagte ich.
    »Ich muß aber. Ich kann nicht anders. Gib mir ein Taschentuch.«
    Ich gab ihr eines. Sie blies hinein, danach erst trocknete sie ihre Tränen. »Danke. Ich will dir sagen, warum ich dich so liebe. Aber du darfst nicht böse sein. Ich habe furchtbare Angst, daß du böse bist.«
    »Brauchst du nicht zu haben. Du kannst sagen, was du willst.«
    »Das ist das Wunderbare bei uns beiden«, sagte Suzy. »Jeder kann dem andern alles sagen, jeder kann mit dem andern alles tun, jeder weiß alles vom andern. Das heißt, du noch nicht von mir. Aber ich von dir, mein Liebling. Ich mache immer ein Riesengeschrei, daß ich es nicht hören kann …«
    »Was nicht hören kannst?«
    »… wenn du so von dir sprichst, aber im Grunde weiß ich natürlich, daß es ganz genau so ist, wie du sagst.«
    »Was sage ich?«
    »Daß du ein Stück Dreck bist«, sagte Suzy.
    Also trank ich wieder einen Calvados.
    »Jetzt bist du doch beleidigt.«
    »Keineswegs, Suzylein«, sagte ich. »Du hast doch vollkommen recht. Beleidigt? Ich? Lächerlich.«
    »Gott sei Dank. Ich bin noch nicht fertig, mon petit chou. Das Wichtigste ist: Ich bin genau so ein Stück Dreck wie

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