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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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nieder.«
    »Was ist das für ein Ausdruck?«
    »Na, er wußte ja, was Sylvia angestellt hat. Damit sie das nicht noch mal tut, hat Delamare ihr ein paar Spritzen gegeben. Macht eine kleine Schlafkur mit ihr. Die kommt vor drei Tagen nicht zu sich, hat er gesagt. Sie kriegt dauernd neue Spritzen. Die ist weg, um die brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.«
    »Wie schön.«
    »Dann habe ich mit deinem Freund Lucien telefoniert, dem Nachtportier vom LE MONDE … Der hat mit dieser Großwäscherei telefoniert … und so weiter, und so weiter …«
    »Und?«
    »Und nichts! Nichts, nichts, nichts! Kein Mensch weiß, wie das Mistblatt es erfahren hat! Joe sagt, es ist die absolute Katastrophe.«
    »Joe Gintzburger?«
    »Ja.«
    »In Hollywood?«
    »Ja!«
    »Mit dem hast du auch telefoniert?«
    »Junge, bist du schwachsinnig geworden? Mit dem habe ich natürlich als erstem telefoniert. Der hat die nächste Maschine genommen, der ist schon unterwegs nach Paris.«
    »Und … und was hat er gesagt?«
    »Daß jetzt das Fett im Feuer ist. Daß du jetzt alle Reporter von Paris am Schwanz hast. Daß wir natürlich eine Berichtigung bei diesem Drecksblatt durchsetzen müssen. Schon alles vorbereitet.«
    »Was ist vorbereitet?«
    »Du nimmst ein Taxi und fährst in die Stadt. Um zwölf Uhr wartet Maître Lejeune auf dich. Bei ›Fouquet’s‹. Da mußt du hin. Weißt du, wo ›Fouquet’s‹ ist?«
    »Wer ist Maître Lejeune?«
    »Du mußt ins Zentrum fahren, Champs Elysées …«
    »Arschloch, ich weiß, wo ›Fouquet’s‹ ist! Wer dieser Lejeune ist, will ich wissen!«
    »Ecke Avenue George V. Da gehst du hinein und …«
    »Rod, ich schlage dich tot, sobald ich dich sehe! Scheiß auf ›Fouquet’s‹! Sag mir augenblicklich, wer Lejeune ist!«
    »Joes Anwalt in Paris. Ist schon verabredet mit dem Herausgeber von diesem Saublatt. Um zwei. Ihr müßt hin. Morgen haben wir die schönste Berichtigung. Wenn du mit Lejeune fertig bist …«
    »Wie kriegen wir die Berichtigung?«
    »Unterbrich mich nicht, verflucht! Joe sagt, du mußt dann gleich weitermachen. Und das wird nicht so einfach sein. Aber es muß geschehen, unbedingt geschehen, unter allen Umständen!«
    »Was?«
    »Babs muß raus aus dem Krankenhaus – schnellstens.«
    »Babs kann doch nicht raus! Erstens ist sie nicht transportfähig, und dann, das sagst du selber, wimmelt es da überall von Reportern.«
    »Für die Reporter sorge ich. Und dieser Lejeune. Du wirst ihn gleich erkennen bei ›Fouquet’s‹. Er ist der fetteste Mann von Paris, hat Joe gesagt. Und was Babs angeht, so kann sie raus aus dem Krankenhaus. Ich habe mit Doktor Sigrand telefoniert. Unter bestimmten Voraussetzungen und mit größter Vorsicht behandelt, ist Babs transportfähig. Sie muß noch heute aus Paris verschwinden. Und du mit ihr.«
    »Wohin?«
    »Nach Nürnberg.«
    »Was?«
    »Nürnberg, Trottel. Stadt in Deutschland, Trottel. In die Klinik, aus der diese Frau Doktor Reinhardt kommt. Sie bereitet schon alles vor.«
    »Alles vor …«
    »Ja doch, Idiot! Babs kommt jetzt zu ihr! Sie fliegt mit Babs! Und du fliegst mit den beiden!«

21
    M aître Lejeune fraß Muscheln, als ich bei ›Fouquet’s‹ eintraf. Man kann einfach nicht sagen, daß er die Muscheln aß. Ich habe in meinem Leben, vorher und nachher, niemals einen Menschen auch nur annähernd so unappetitlich bei Tisch gesehen. Der Rechtsanwalt Lejeune, dem Joe blind vertraute, saß auf einer roten Samtbank unter einem Spiegel. Auf seinem Tisch stand ein Kühler mit einer Flasche Weißwein. Vor sich hatte Lejeune zwei Teller. Von dem einen Teller, auf dem sehr viele Muscheln gewesen sein mußten (denn der zweite Teller war hoch gefüllt mit leeren Schalen), nahm er mit sehr dicken und sehr rosigen Fingern die letzten Stücke. Ich blieb beim Eingang stehen und sah ihm zu, denn so etwas an Fresserei hatte ich noch nie erlebt. Lejeune hatte überbackene Muscheln bestellt, also die schon geöffneten, mit viel Petersilie, noch mehr Knoblauch und Öl zubereiteten. Lejeune hatte ein Gesicht wie ein alterndes Schwein. Nun, da er fraß, sah er aus wie ein alterndes Schwein in Ekstase. Muschelhälfte um Muschelhälfte führte er an das rosige Mündchen, und nachdem er die Muschel geschluckt hatte, leckte er die Schale innen und – Ehrenwort! – außen mit einer rosigen Zunge hingebungsvoll ab. Regelmäßig trank er dazu einen Schluck. Seine Hände waren fett. Seine Backen hatten richtige Hamstertaschen, die über den Kragen des

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