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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Hemdes hingen und bis hinab zu den Revers seines Jacketts. Maître Lejeune hatte praktisch keinen Hals. Sein Schweinskopf saß direkt auf den Schultern. Er war völlig kahl. Sein Bauch war so gewaltig, daß er den Tisch von sich hatte fortschieben müssen, um sitzen zu können. Er besaß erstaunlich kurze Ärmchen, und darum kam er nur mit Mühe an die Muscheln und an den Wein heran.
    Ein Kellner trat zu mir. Ich sagte, ich sei mit Maître Lejeune verabredet. Eine halbe Minute später stand ich vor ihm. Fünf Minuten später wußte ich, daß er nicht nur maßlos verfressen und dick war, sondern auch maßlos gerissen. Genau der Mann, den wir jetzt brauchten.
    Als ich an seinen Tisch getreten war, hatte er nur kurz den Blick von seinen Muscheln gehoben. Er besaß sehr kleine, listige Schweinsaugen.
    »Da sind Sie ja, Monsieur Kaven«, sagte Lejeune mit reiner, hoher Knabenstimme.
    »Woher wissen Sie, daß ich …«
    »Keine Idiotenfragen stellen, bitte«, sagte er, die letzte Muschel in Arbeit. »Setzen Sie sich. Tut mir leid, neben mir ist kein Platz. In Flugzeugen müssen sie auch immer eine Armstütze rausnehmen für mich. Ich brauche zwei Plätze. Zahle auch immer zwei. Drüsen, wissen Sie, Drüsen.« Er seufzte. Zwei Kellner brachten einen neuen Teller mit Muscheln und neues Geschirr. Das Tischtuch sah aus wie eine Landkarte, so sehr hatte Lejeune es versaut. Er bestellte noch eine Flasche ›Blanc de Blanc‹. Ich setzte mich. Ein Kellner wartete höflich. Lejeune sagte für mich: »Bringen Sie meinem Freund zuerst einmal ein Dutzend Austern. Aber ›Imperial‹, nicht die spanischen. Die spanischen sind zu fett.«
    »Ich habe eigentlich keine Lust auf Austern«, sagte ich.
    »Natürlich haben Sie Lust.«
    Wenn er sprach, wehte ein Knoblauchgeruch über den Tisch, der mich fast vom Sessel sinken ließ. »Also los, zunächst einmal zwölf ›Imperial‹, Charles.«
    »Sehr wohl, Monsieur le Maître.«
    »Und ein Glas – trinken Sie ›Blanc de Blanc‹?«
    »Da bekomme ich immer Kopfweh«, sagte ich.
    »Dann Weißwein 162«, sagte der Fettsack. Er winkte den Kellner fort und fiel wie ein Wolf über die neue Portion Muscheln her. »Nach dem Essen gehen wir zu diesem Blättchen«, sagte Lejeune. Er leckte wieder eine Schale außen ab. »Deliziös«, sagte er. »Esse sie immer nur überbacken.« Er trank, rülpste und sagte: »Furchtbare Geschichte mit dem armen Kind. Ist mir richtig an die Nieren gegangen. Habe gar keinen Appetit.«
    Der Kellner brachte eine Flasche Weißwein, ließ mich kosten und wartete. Nummer 162 war großartig. Ich nickte. Kellner Charles goß mein Glas voll und entfernte sich.
    »Noch viel vor heute«, sagte Lejeune. »Sie, meine ich.«
    »Ja«, sagte ich. »Sie auch.«
    »Ich – wieso? Ach, Sie denken an dieses Drecksblatt! Lächerlich. Das schlucke ich wie eine Muschel!« Er rülpste wieder. »Passen Sie mal auf, wie wir das machen werden, ich erkläre es Ihnen, während wir auf Ihre Austern und mein Cordon bleu warten.«
    Ich paßte auf, und er erklärte es mir.
    Schon eine Type, dieser Maître Lejeune, ich weiß heute noch nicht, welchen Vornamen er hat.

22
    D ie Affäre mit dem Skandalblatt schluckte er dann tatsächlich wie eine Muschel. Und mit dem soignierten Verleger wischte er sozusagen den Fußboden auf. Er ließ den Mann, der neben jener Zeitung noch zwei weitere, seriöse besaß, außerdem einen Buchverlag und zwei der größten Illustrierten Frankreichs, fast überhaupt nicht zu Wort kommen.
    »Sie wissen ja, Monsieur, daß ich Sie auf zehn Millionen Francs verklagen kann«, sagte Lejeune, sozusagen zur Begrüßung, er hielt noch die Hand des Verlegers in der seinen. Der Verleger trat hastig einen Schritt zurück. Der Knoblauchgeruch, den der Anwalt verbreitete, war raumfüllend, und das Arbeitszimmer des Verlegers war ein großer, kostbar eingerichteter Raum. Aber drei Portionen überbackene Muscheln …
    »Wir haben Zeugen und Beweise für unsere Behauptung«, sagte der Verleger, der hinter seinen Schreibtisch retirierte. »Ich habe Sie überhaupt nur aus Entgegenkommen empfangen, Maître. Auseinandersetzen müssen Sie sich mit unserer Rechtsabteilung. Was wir drucken, stimmt. Mich werden Sie nicht einschüchtern mit Ihren stadtbekannten Methoden, mich nicht!«
    »Ich habe«, sagte der dickste Mann, den ich je sah, mit seiner singenden Eunuchenstimme und legte dabei ein mehrseitiges Schriftstück, das er einer Aktenmappe entnahm, auf den Schreibtisch, »die Klage von

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