Niemand ist eine Insel (German Edition)
verdienen immer noch genug. Natürlich, das ist die Voraussetzung, daß Alfredo Bianchi wirklich rechtzeitig stirbt.«
»Der kratzt ab, das schwöre ich Ihnen!« sagte Marone. »Geben Sie mir Ihr Glas.« Er machte uns noch zwei Drinks, und wir stießen miteinander an, als die hohe Tür aufging und Angelo Notti hereinschlurfte, gesenkten Kopfes. Hinter ihm kam sein fetter Boss.
»Los«, sagte er zu Notti.
Notti sah mich nicht an. Tränen (der Lust?) tropften auf den Teppich, als er sprach: »Ich bitte Sie um Verzeihung, Monsieur Kaven. Ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung. Es war gemein und niederträchtig und hinterhältig, was ich getan habe. Es tut mir unendlich leid. Ich bitte Sie, mir zu verzeihen. Ich habe meine Strafe erhalten.« Ich sah, daß die Augen seines Bosses leuchteten. Jetzt hatte der wieder was davon.
»Was für eine Strafe haben Sie denn erhalten, Notti?« fragte Marone.
Notti schwieg.
»Sagen Sie es!« schrie Cossa.
»Ich bin ab sofort nicht mehr im Pariser Büro«, sagte Notti und weinte immer inbrünstiger. »Ich werde heute noch wegfliegen, weit weg. Ich arbeite ab sofort in einem anderen Büro.«
»Wo?« fragte ich.
»Naher Osten«, sagte Notti schluchzend. »Tel-Aviv.«
Cossa sah mich triumphierend an und klopfte dann mit seinem Krückstock auf den Marmorboden. »Sie haben noch nicht Signor Kavens Verzeihung, Notti!«
»Ich erbitte Ihre Verzeihung, Monsieur Kaven.«
»In Ordnung«, sagte ich. »Ich verzeihe Ihnen.«
»Sagen Sie danke!« schrie Cossa.
»Danke, Monsieur, danke«, schluchzte Notti.
»Jetzt raus mit Ihnen. Der Diener soll Ihnen ein Taxi rufen. Um zehn sind Sie bei mir in der Zentrale!« bellte Cossa.
Der kleine Notti entfernte sich, rückwärtsgehend, mit dauernden Verbeugungen. Dann war er verschwunden.
»Ich danke Ihnen, Signor Cossa«, sagte ich.
»Nichts zu danken. Wo ist der Scheck? Ah, da. Sehr schön. Und nun, Carlo, wollen wir …?«
»Ich habe Phil schon gefragt«, sagte Marone.
»Und?«
»Er will gleich zurückfliegen.«
»Signore«, sagte Cossa, »Sie wissen nicht, was Sie da ablehnen. Sie sollen ja nicht allein mit … mit Christiane. Nein, wir alle drei! Und nicht irgend etwas, das Sie sich vorstellen. Wir haben da eigene Ideen entwickelt. Christiane macht alles.«
»Nicht alles freiwillig«, sagte Marone. Darüber schüttete sich Cossa wieder aus vor Lachen.
»Nein, freiwillig nicht alles! Aber wir … wir überreden sie, Signore … Sie haben keine Ahnung, wie geschickt wir mit Überreden sind!«
»Es ist sehenswert«, sagte Marone. »Na?«
»Nein«, sagte ich. »Wirklich freundlich von Ihnen, Carlo. Ich muß zurück nach Paris.«
Na ja, sie bedauerten das, und Marone ließ mich in dem Bentley zum Flughafen bringen, nachdem wir vereinbart hatten, daß er Joe anrufen und nach Hollywood fliegen würde, sobald Joe Zeit für ihn hatte, und die Rückkehr nach Paris in Sylvias SUPER-ONE-ELEVEN, die, aus Madrid gekommen, schon auf der abgelegenen Position 45 stand, als ich den Flughafen erreichte, war sehr angenehm und ruhig. Ich schlief zwei Stunden. Wir landeten am späten Vormittag in Orly, und ich trug wieder meine dunkle Brille, als ich durch die Sperren ging. Ich hatte das Gefühl, daß die Beamten mich sonderbar ansahen. Ich kam an einem Zeitungsstand vorbei, und da war mir dann klar, warum die Beamten mich so sonderbar angesehen hatten.
Das wüsteste, übelste und darum am meisten gelesene aller Pariser Boulevardblätter hing da aus, lag da in Stapeln. Ich las die Balkenüberschrift:
PHILIP KAVEN VERPRÜGELT ITALIENISCHEN FOTOREPORTER
IM HÔPITAL SAINTE-BERNADETTE
Und darunter:
WAS TRIEB SYLVIA MORANS STÄNDIGEN BEGLEITER
IN DAS KRANKENHAUS?
20
R od!«
»Endlich, Phil! Wo bist du?«
»Orly. Eben gelandet. Spreche aus einer Zelle.«
»Kein Reporter da?«
»Hab keine gesehen.«
»Verflucht.«
»Was heißt verflucht?«
»Du hast das Scheißblatt doch auch schon gelesen!«
»Deshalb rufe ich an. Wie können die das erfahren haben?«
»Keine Ahnung. Wirklich, nicht die Spur einer Ahnung. Der Chauffeur, der dich und Notti nach Orly gefahren hat, vielleicht? Wir telefonieren seit Stunden miteinander.«
»Wer wir?«
»Ich und die Ärzte im Sainte-Bernadette. Die Ärzte mit den Pflegern. Ich mit Delamare. Sylvia ist bis auf weiteres erst mal ruhiggestellt.«
»Was heißt das?«
»Als sie in der Klinik des Professors wieder zu sich kam, begann sie zu toben. Diese Schwester Hélène rief Delamare, und der spritzte Sylvia
Weitere Kostenlose Bücher