Niemand ist eine Insel (German Edition)
Monsieur Philip Kaven gegen Ihr Blatt. Es ist eine Verleumdungsklage. In ihr werden Sie zunächst aufgefordert, an der gleichen Stelle Ihrer … hrm … Zeitung … und in der gleichen Aufmachung und Schriftgröße bekanntzugeben, daß Ihre Skandalmeldung erlogen ist, anschließend die Wahrheit zu drucken und ferner …«
»Wissen Sie, Maître, auch meine Geduld hat Grenzen! Ich bitte Sie, sofort mein Zimmer zu …«
»… will Sie Monsieur Kaven, mein Mandant, Vollmacht liegt bei, wegen schwerer Rufschädigung und Verleumdung auf die Zahlung von zehn Millionen Francs verklagen. Neuen«, sagte Lejeune. »Die Klage wird heute noch eingereicht, wenn wir nicht einig werden darüber, wie eine Wiedergutmachung auszusehen hat.« Rülpsen. »Aber Sie wissen, ich bin ein Mann, der sehr schnell arbeitet und nie etwas dem Zufall überläßt.«
»Monsieur Kaven«, sagte der Verleger (er hatte eine Perle in seiner schönen Krawatte), »wollen Sie behaupten, im Hof des Hôpital Sainte-Bernadette nicht einen Fotografen niedergeschlagen zu haben?«
»Monsieur Kaven ist Deutscher, wie Sie wissen, Monsieur«, sagte der Anwalt schnell (wir hatten schon bei ›Fouquet’s‹ vereinbart, daß ich kein Wort sprechen sollte), »und er hat große Schwierigkeiten mit der französischen Sprache. Aus diesem Grunde werde ich jetzt für ihn eine vorbereitete Erklärung verlesen.« Er nahm noch ein Papier aus der Mappe und leierte sehr schnell: »Ich, Philip Kaven, erkläre: Ich habe mich am Abend des zweiten Dezember 1971 in die Hals-Nasen-Ohren-Station des Hôpital Sainte-Bernadette begeben, um Mademoiselle Clarissa Geiringer, unserem Kindermädchen, einen Besuch abzustatten. Mademoiselle Geiringer liegt seit achtundzwanzigstem November 1971 auf dieser Station, nachdem bei ihr sehr beängstigende Erscheinungen im Nasen-Rachen-Raum aufgetreten waren.« Rülpsen. Dann mit der Kastratenstimme weiter: »Als ich – dies ist Monsieur Kavens Erklärung, nicht wahr – das Hospital verließ, wurde ich im Hof von einem Individuum angepöbelt und geschlagen. Ich schlug zurück. Der mir unbekannte Mann flüchtete daraufhin. Nach dem Aufmacher in der heutigen Ausgabe von …« – hier nannte Lejeune genießerisch singend den Namen dieser Zeitung – »… und dem folgenden Text steht fest, daß der Mann, der mich belästigte, Reporter war und im Auftrag seiner Redaktion handelte, die mich für ihre reißerische und gewissenlose Revolverblatt-Berichterstattung zum Opfer auserkoren hatte – offenbar von längerer Hand vorbereitet.« Neuerliches Rülpsen. »Mademoiselle Geiringer befindet sich im erwähnten Hospital in erwähnter Station, dritter Stock, Privatabteilung, Zimmer sechsunddreißig. Sie wird und kann meine Angaben jederzeit bestätigen. Ich bitte, Klage einzureichen wegen …«
»Hören Sie auf«, sagte der Verleger zu Lejeune. Und zu mir: »Sie geben also zu, im Hospital gewesen und den Reporter geschlagen zu haben, Monsieur Kaven?«
»Sie sollen mich fragen und nicht Monsieur Kaven«, krähte Lejeune. »Ja, Monsieur Kaven gibt das zu. Mit Vergnügen. Er stellt übrigens auch Strafantrag gegen den Reporter wegen des tätlichen Angriffs. Er hat keine Ahnung, wie der Mann heißt. Es ist eigenartig, daß dieser Mann seither wie vom Erdboden verschluckt ist.«
»Woher wissen Sie das?«
»Wir sind, bevor wir zu Ihnen kamen, durch die Redaktionsräume gegangen und haben die Reporter, vor allem die Fotoreporter, befragt.«
»Es gibt ein Redaktionsgeheimnis, Maître.«
»Das Gericht wird in diesem Falle das Redaktionsgeheimnis zum Zwecke der Wahrheitsfindung außer Kraft setzen. Es geht immerhin um Körperverletzung. Wir werden den Nachweis führen, daß Sie und nicht der Chefredakteur jenes … Blattes Ihres Verlags die Verantwortung für die Lügenmeldung trifft …«
»Das ist nicht wahr!«
»…. denn Sie sind es, der sich gerade bei diesem Revolverblatt, das Ihnen so sehr ans Herz gewachsen ist, weil es das meiste Geld bringt, ausbedungen hat, bei jeder Redaktionskonferenz für die Themen des folgenden Tages den Vorsitz zu führen und Weisungen zu erteilen!« Nach dem Cordon bleu (mit Beilagen) hatte Lejeune noch ein Stück Cremetorte gegessen und einen doppelten Armagnac getrunken. »Wir werden beweisen, daß Sie den Auftrag gegeben haben, Monsieur Kaven zu verfolgen, als Sie erfuhren, daß er schon zweimal im Hôpital Sainte-Bernadette gewesen ist, und darum eine Sensation witterten. Im Interesse der Sauberkeit der
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