Niemand ist eine Insel (German Edition)
Direktor des Restaurants gerufen worden. Barajas heißt der Flughafen von Madrid. Er liegt zwölf Kilometer nordöstlich dieser Stadt. Im Restaurant des Flughafens hatten betrunkene Männer Streit bekommen und prügelten sich. Die vier Mann Funkwagenbesatzung sahen sich das Getümmel nur einen Augenblick an, dann forderten sie über Funk Verstärkung an. Es kam zu einer massiven Auseinandersetzung mit den rund siebzig Randalierenden. Zahlreiche von ihnen wurden verhaftet und später vor Gericht gestellt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung, Hausfriedensbruch, böswilliger Sachbeschädigung, tätlicher Beleidigung und so weiter.
Die Madrider Zeitung »ABC« sprach von einem Presseskandal und forderte Maßnahmen gegen die Verantwortlichen. In der Tat wurden unmittelbar darauf elf inländische Wort- und Bildreporter fristlos entlassen. Dazu kamen zwei Mitarbeiter der staatlichen Nachrichtenagentur EFI und einundzwanzig ausländische Journalisten der verschiedensten Nationen, Zeitungen und Agenturen. Die weitere Arbeit auf spanischem Boden wurde ihnen untersagt, der Aufenthalt im Land für die Dauer von fünf Jahren verboten. In der zweiten Ausgabe der Tagesschau – um 23 Uhr 20 – erfuhr die Öffentlichkeit zum erstenmal von den Ausschreitungen auf dem Flughafen. Im Appartement 315 des Hotels CASTELLANA HILTON saßen Rod Bracken und der so ungemein fette Pariser Anwalt Lejeune vor einem Fernsehapparat. Die beiden Herren waren desgleichen reichlich betrunken. Sie hatten eine Flasche Whisky, zwei Siphons und ein silbernes Eiskübelchen auf einem Tisch zwischen ihren Stühlen stehen und verfolgten die Nachricht und den Filmbericht aus Barajas wohlgefällig.
»Wie habe ich das gemacht?« fragte Maître Lejeune. Beide Männer trugen nur Hemd und Hose, die Kragen hatten sie geöffnet. Lejeune aß ein kaltes Hühnchen, während er sprach.
»Großartig haben Sie das gemacht, Maître«, sagte Rod.
»Sie können’s gelegentlich Joe Gintzburger erzählen.«
»Das ist das erste, was ich tun werde, wenn er nun nach Paris kommt. Ehrlich, ich bin auch kein Trottel, aber ich verstehe nicht, wie Sie es gemacht haben!«
»Wieso nicht?«
»Ich bin schon allerhand gewöhnt von Journalisten«, sagte Bracken. »Aber daß sie sich so aufführen wie da in Barajas – und so viele! Die müssen doch gewußt haben, was ihnen passiert, wenn sie derartigen Wirbelmachen und sich so besaufen. Ich meine: Gestorben wäre doch keiner vor Enttäuschung. Wütend auf uns, ja, aber Skandal schlagen, bis die Polizei kommen muß, Ausweisung und Knast riskieren …« Er sah Lejeune an.
»Mußte ein bißchen nachhelfen«, sagte der mit seinem Silberstimmchen, an einem Knochen nagend.
»Wer?«
»Ich. Mit ein paar Freunden. Die Freunde spielten Journalisten. Immer gut, wenn man Freunde hat.« Lejeune rülpste. »Joe wird noch ein wenig tiefer in die Tasche greifen müssen. Meine Freunde …«
»Klar.«
»Was jetzt, denn wir stehen ganz am Anfang einer schlimmen Sache, Monsieur Bracken …« – der nickte beklommen – »… geschehen mußte, war, daß die verfluchten Sensationsreporter und die Agenturen ordentlich eine aufs Haupt kriegen. Mit Ausweisung, Arbeitsverbot und so weiter. Damit sie in Zukunft etwas weniger hinter uns her sind. Es mußte erst mal ihr Ehrgeiz gebrochen werden. Na, den haben wir fein gebrochen, denke ich.«
»Ein paar Reporter sind aber auch der Ambulanz nachgefahren zur Klinik Salmerón«, sagte Bracken.
»Und wie gut war das doch! Ich habe mit Salmerón vorher natürlich telefoniert. Er hat Clarissa, als der Krankenwagen kam, vor der Klinik empfangen und den Reportern auch noch ein paar ernste Worte gesagt. Salmerón ist mein Freund. Ich habe ihm mal einen Gefallen getan, als ihm ein Franzose hopsging unter dem Messer. Jetzt tut er mir einen Gefallen. Wird eine Weile bei meinem Freund Salmerón liegen, die liebe Clarissa. Ich habe die liebe Clarissa schließlich auch ins Sainte-Bernadette gebracht, nicht wahr?«
»Ist der Chef dort auch Ihr Freund?«
»Nein«, sagte Lejeune. »Da habe ich mit Doktor Sigrand gesprochen. Der hat gesagt, aufnehmen kann er jeden. Alles andere hat dann diese Doktor Reinhardt getan. Sie hat sich auch verpflichtet, die Verantwortung auf sich zu nehmen für alles Ungesetzliche, was im Sainte-Bernadette geschehen ist. Schriftlich! Weil sie nämlich eine junge Frau voller Liebe ist.«
»Liebe zu Kaven?« fragte Bracken.
»Um Gottes willen, nein.«
»Liebe zu
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