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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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rasten zahlreiche Reporter in die Telefonzellen des Postamts und verständigten ihre Zeitungen, Agenturen oder Kollegen in Madrid, andere fanden derweilen heraus, daß, o Wunder, eine der anderen Chartermaschinen noch zu mieten war. (Lejeune hatte eigens diese zweite Maschine, deren Crew nun allerdings sehr verschlossen war, bereitstellen lassen.) So flogen zuletzt zwei Maschinen ab – in der einen Clarissa, Lejeune und Bracken, die andere vollgepackt mit Reportern. Bracken erzählte mir, daß sie es sich während des Fluges mit Clarissa so gemütlich wie möglich machten. Sie nahmen eine Armstütze für den fetten Lejeune heraus, damit der sitzen konnte. Sie banden Clarissa von der Bahre los und spielten dieses Würfelspiel, das alle Franzosen so lieben – 421. Sie tranken auch ein bißchen, und über den Pyrenäen, über denen alle Maschinen zu allen Zeiten auf diese widerliche Weise zu zittern und vibrieren beginnen (weil es da, wie man mir ein dutzendmal erklärt hatte, gewisse Turbulenzen gibt, ich habe es nie verstanden), also über den Pyrenäen wurde es Clarissa dann sehr übel, und sie brauchten eine Menge Tüten, und zuletzt lag sie wieder auf der Bahre, und Bracken und Lejeune spielten allein weiter 421, man kann es auch zu zweit spielen.
    Von den Funkfeuern, welche die Maschine leiteten, erfuhren die Piloten, daß die zweite Chartermaschine sie überholt hatte und als erste in Barajas landen würde.
    »Fliegt noch ein bißchen langsamer, wenn’s geht«, sagte Lejeune zu dem Copiloten, als dieser ihm die Meldung überbrachte, »damit die Herren auch Zeit genug haben, sich richtig vorzubereiten.«
    Die waren vielleicht vorbereitet, als Brackens Maschine ausrollte, mein Herr Richter! Neben den Reportern aus dem anderen Flugzeug hatte sich nun noch eine Menge Reporter aus Madrid eingefunden, und sie alle umringten Brackens Maschine, als sich die Luke öffnete und zwei Mann der Besatzung die Bahre über die Gangway herabtrugen, während über das Vorfeld des Flughafens ein Krankenwagen herankam.
    Abermals begann das Theater mit dem Fotografieren. Lejeune ging dicht hinter den Männern, welche die Bahre trugen, und als sie den Boden erreicht hatten, trat er neben die Bahre und war sehr ungeschickt. Weil er so ungeschickt war, streifte er das Kopf ende der Decke zurück.
    Es folgte ein wüstes Feuerwerk von Elektronenblitzen – danach völlige Stille. Alle hatten gesehen, daß nicht Sylvia Moran auf der Bahre lag und auch nicht etwa Babs, sondern das Kindermädchen Clarissa Geiringer. Viele kannten ihr Gesicht. Viele kannten es nicht. Alle wußten ganz bestimmt, daß sie weder Sylvia noch Babs vor sich hatten.
    In die Stille hinein sagte Lejeune englisch: »Zu Ihrer Information, meine Herren: Die Dame heißt Clarissa Geiringer und ist seit Jahren Kindermädchen von Babs Moran. Sie ist vor einigen Tagen in Paris ins Hôpital Sainte-Bernadette gebracht worden – sie hatte bedrohliche Erscheinungen im Nasen-Rachen-Raum.« Danach sagte Lejeune mit seiner Eunuchenstimme, während man Clarissa in die spanische Ambulanz hob: »Die Ärzte diagnostizierten eine Liquorrhoe – ein Austreten von Gehirnflüssigkeit infolge einer Verletzung der Trennwand zwischen Nase und Hirn. In solchen Fällen ist für das Gehirn stets die Gefahr einer Infektion sehr groß. Die Pariser Ärzte verlangten deshalb dringendst eine Operation. Um jedes Risiko auszuschließen, hat Monsieur Kaven – Sie wissen, Madame Moran macht Urlaub, was Sie vielleicht noch nicht wissen: Jetzt, nach Mademoiselle Clarissas Erkrankung, ist unsere liebe kleine Babs ihr in diesen Urlaub gefolgt –, hat Monsieur im Sainte-Bernadette gebeten, ihm die größte Kapazität auf diesem Gebiet zu nennen. Dies ist Professor Arias Salmerón. Seine Klinik hier in Madrid ist weltbekannt. Wir bringen Mademoiselle Geiringer nun zu Professor Salmerón. Vielen Dank, meine Herren.«
    »Was heißt wir?« schrie ein Reporter. »Was machen Sie hier? Warum ist Mister Kaven nicht allein oder mit einem Arzt geflogen?«
    »Mister Kaven ist ein sehr guter Freund von mir. Er kennt Madrid nicht. Es werden möglicherweise gewisse Formalitäten zu erledigen sein.«
    »Und warum haben Sie uns das alles nicht schon in Paris erzählt?« schrie ein anderer Reporter.
    »Weil mich niemand von Ihnen danach gefragt hat«, antwortete Lejeune, hinter Bracken in die Ambulanz steigend. Er schloß die Türen hinter sich.
    »Los jetzt, aber schnell«, schrie er spanisch dem Chauffeur zu.

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