Niemand ist eine Insel (German Edition)
Babs?«
»Liebe zu allen kranken Kindern«, sagte Lejeune. »Außerordentliche Frau, Monsieur Bracken, wirklich. Sie hat da sehr viel auf sich genommen. Andererseits – wann hat schon einmal ein Arzt einem andern ein Auge ausgehackt, nicht wahr?«
»Sie sind auch ein außerordentlicher Mann, Maître«, sagte Bracken beeindruckt.
»Ich weiß«, sagte der fette Anwalt. »Santé, mein Freund.«
Nachdem der Anwalt und ich das Pressehaus jenes Zeitungszaren verlassen hatten, waren wir ins LE MONDE gefahren, wo sich zu dieser Zeit noch Bracken und Herr Dr. Wolken aufhielten. Lejeune und Bracken hatten das, was nun zu tun war, ausführlich mit mir und Herrn Dr. Wolken erörtert. Lejeune telefonierte mehrmals. Um 16 Uhr verließen uns der Anwalt und Bracken, dieser mit einer Reisetasche. Ich rief Suzy Sylvestre in ihrem Kosmetiksalon an. Sie war entsetzlich aufgeregt, denn auch sie hatte natürlich jene Zeitungsschlagzeile gelesen.
»Was geschieht jetzt, mon petit chou?«
»Du mußt so lieb sein und gleich nach Hause fahren und alle Sachen, die Babs gehören, in die beiden Koffer packen und …«
»Aber warum?«
»Bitte, laß mich ausreden! Und einen Koffer voll mit Anzügen und Wäsche und so weiter für mich.«
»Du willst weg von mir?« schrie Suzylein auf.
»Psst. Nimm dich zusammen!«
»Entschuldige … aber … aber wenn du von mir weggehst, das ist so schrecklich …«
»Ich gehe ja gar nicht von dir weg. Nur für einen Sprung. Wo bist du?«
»Im Büro hier.«
»Kann dich jemand hören?«
»Nein.«
»Gut. Paß auf: Babs muß raus aus Paris. Wegen der Reporter. Ich muß mit ihr wegfliegen. Schnellstens.«
»Wohin?«
»Nach Deutschland. Sie kommt in eine andere Klinik. Nürnberg. Eine Ärztin fliegt mit.« So leicht passiert einem so etwas, mein Herr Richter, sehen Sie. Nur einen Moment hatte ich nicht achtgegeben.
» Ärztin? Was für eine Ärztin?« schrie Suzy.
»Die sie bis jetzt behandelt hat.«
»Wie kommt die nach Deutschland?«
»Weil sie Deutsche ist und in Nürnberg als Ärztin arbeitet.«
»Ich denke, sie arbeitet im Sainte-Bernadette.«
»Das auch. Aber eigentlich …«
»Ich verstehe schon. Schläfst mit ihr, ja? Von Anfang an, wie? Darum hast du gesagt, du kannst nicht bei mir bleiben, was? Wie heißt das Miststück?«
»Suzy, bitte!«
»Klar schläfst du mit ihr!«
»Nein, tue ich nicht!«
»Tust du doch!«
»Nein!«
»Wie das Miststück heißt, will ich wissen.«
»Das spielt keine Rolle.«
»Aha! Schön, nicht. Kriege ich auch so raus. Werde ich mich mal im Sainte-Bernadette erkundigen …«
Das wurde lebensgefährlich.
Mein Herr Richter, um ein langes Gespräch kurz zu machen: Es gelang mir nach unzähligen Liebes- und anderen Schwüren, sie so weit zu beruhigen, daß sie davon absah, im Hôpital Sainte-Bernadette nachzuforschen. Gewonnen hatte ich, als mir dies einfiel: »Sei doch nicht idiotisch! Meine Sachen bleiben doch zum größten Teil bei dir! Und ich bin morgen auch wieder bei dir!«
»Das glaube ich nicht! Du kommst nie wieder!«
»Ich schwöre, daß ich wiederkomme. Die ganzen Amis aus Hollywood fliegen schon an. Ich muß einfach wieder in Paris sein morgen!«
Arme, schöne, hilflose Suzy. Einfach kein Selbstvertrauen. Dabei eine so tüchtige kleine Hüre. Seltsam. Sie sagte erstickt: »Vor den Amis scheißt du dir in die Hosen, das glaube ich. Ich bin dir egal. Aber wenn die Amis nach Paris kommen, kommst du auch, das glaube ich. Wohin sollen die Koffer gebracht werden?«
»Chérie, ich liebe dich.«
»Ich liebe dich doch auch! Glaubst du, ich würde mich sonst so aufregen? Wohin sollen die Koffer gebracht werden?«
Ich sagte Suzy, wohin.
25
E s war immer noch hell, als Bracken mit Lejeune in einem Taxi das Hôpital Sainte-Bernadette erreichte.
»Merde alors«, sprach der Taxichauffeur, »was is’n hier los?«
Hier sah es, nach Brackens späterem Bericht, wahrlich schauderhaft aus. Zu beiden Seiten der Straße parkten, manchmal nebeneinander, Wagen. Der normale Verkehr kam kaum voran. In den Wagen lümmelten, an den Wagen lehnten Männer mit Lederjacken, in pelzgefütterten Mänteln oder dicken Pullovern. Sehr viele von ihnen hatten Fotoapparate. »Scheißreporter, was?« fragte der Chauffeur.
»Scheint so«, sagte Lejeune.
»Was wollen die denn da?«
»Keine Ahnung.«
»Ach, herrje.« Dieser Taxichauffeur war ein wenig langsam. Nicht nur, wenn er fuhr. »Da ist doch heute nacht diese Prügelei gewesen mit dem Kerl von der Moran
Weitere Kostenlose Bücher