Niemand ist eine Insel (German Edition)
Mal, wenn ich sie sehe, werde ich sie fragen. Aber ich kann dir jetzt schon sagen: Die finden das genauso idiotisch wie ich! Spaß am Rechnen? Haben sicher nicht alle, aber eine Menge schon. Ich zum Beispiel! Weißt du, was? Mit diesem Gesabber vermiesen sie dir den schönsten Spaß. Wirklich,. Phil! Warum? Wollen die uns verblöden?«
»Natürlich nicht«, sagte ich.
»Na, aber sie tun’s ! Die tun, als ob sie es mit lauter verblödeten Kindern zu tun hätten – von vornherein!«
»Weil du so clever bist, weißt du natürlich, wie alt alle diese Kinder sind«, sagte ich.
»Klar weiß ich’s«, sagte Babs. »Beim ersten Drüberlesen hab ich’s schon gewußt. Das ist ja eine Aufgabe für die erste Klasse!« Sie legte los: »Erika ist sieben, Georg ist fünf, Martin ist dreizehn, Hubert ist zehn und Thomas ist fünfzehn!«
Sie nieste.
»Hör mal, hat Clarissa auch bestimmt richtig gemessen?«
»Bestimmt! Ich hab ganz ruhig auf der Seite gelegen und fest zusammengedrückt. Das war jetzt nur, weil ich so schnell geredet habe. Nein, also wirklich, Phil – da lachen ja die ganz Kleinen im Kindergarten! Du hast den blauen Anzug mit den dünnen weißen Streifen an. Schick. Mein Lieblingsanzug!«
»Du mußt dich auch umziehen, Babs«, sagte ich. »Entschuldigen Sie, Doktor, aber für heute ist Schluß.«
Er sah auf eine Uhr, die er in der Westentasche trug und deren Deckel er aufspringen ließ.
»Oh, gewiß, Herr Kaven. Verzeihen Sie, Herr Kaven.«
»Nicht doch«, sagte ich. Dieser Wolken machte mich ganz kribblig mit seiner Unterwürfigkeit. » Sie müssen verzeihen. Babs, geh rüber zu Mami. Clarissa ist bei ihr. Sie werden dir sagen, was du anziehen sollst.«
»Anziehen? Ach Herrje!« Babs hopste. »Das habe ich ganz vergessen! Dabei macht mir das immer so viel Spaß! Die Pressekonferenz um sechs, was?«
10
J a, also, zuerst hat es Ihnen Onkel Rod sagen wollen. Und dann hat es Ihnen Phil sagen wollen. Und dann hat Mami gesagt, sie sagt es natürlich – na ja, und wie ich dieses Hin und Her gehört hab, da hab ich gesagt, wenn ihr euch nicht einigen könnt, wer es sagt, dann sag ich es – und alle haben gefunden, das ist die beste Idee. So war das«, sagte Babs. »Ich bin schon bei vielen Pressekonferenzen dabeigewesen, aber das ist die erste, die ich mache, und ich bin überhaupt nicht aufgeregt!«
Das war um 18 Uhr 15, und Babs saß an einem mit einer roten Seidenbrokatdecke verhängten Tisch, der auf einem Podium stand. Rechts von ihr saß Sylvia, links von ihr saß ich, und außen neben Sylvia saß Rod Bracken. Und drei Riesenvasen mit roten Rosen standen auf dem Tisch. Na ja, und dann waren eben noch fünfundachtzig Menschen da, nein, einundneunzig, sechs sehr wichtige waren unangemeldet gekommen, Rod hatte gesagt, sie müßten einfach dabei sein.
Natürlich hatte Rod auch die Idee gehabt, Babs die Konferenz ›machen‹ zu lassen. Von Anfang an. Prima Idee, meinen Sie? War ja schließlich sein Job, nicht wahr? Gereizte Antwort, finden Sie, mein Herr Richter? Sie vermuten Aversion und Rivalität zwischen Bracken und mir? Richtig vermuten Sie. Aversion und Rivalität auf Gegenseitigkeit. Er war mir mindestens so sehr zum Kotzen wie ich ihm. Wir mußten es nur ertragen miteinander. Ich stellte mir oft vor, daß sie im Altertum, also auf so einer Galeere, wo die armen Hunde angekettet waren und ab und zu noch eins mit der langen Peitsche drüberkriegten, weil sie müde wurden, daß sie da, was wollte ich sagen? Ach ja: Also da saßen sicherlich auch oft zwei nebeneinander, die konnten einander nicht riechen, die haßten einander wie die Pest, nicht wahr, aber rudern mußten sie, beide, keiner konnte weg, angekettet wie sie waren, beide. Sie werden sagen: In so einer Situation hätten diese Herren versuchen, wenigstens versuchen sollen, to make the best of it. Lassen Sie mich antworten: Derlei kann man so oft versuchen, wie man will – wenn man sich anwidert in jeder, aber auch in jeder Beziehung, dann geht das nie!
»Also, die Sache ist ganz einfach«, sagte Babs und nieste. Es war irrsinnig heiß, denn sehr viele sehr starke Scheinwerfer brannten. Babs sprach englisch: »In den letzten drei Jahren hat Mami vier Filme gedreht, nicht? So schlimm war’s noch nie, seit wir in diesem Beruf sind. Ich muß es doch wissen, ich bin doch ihr Kind. Ich hab gewußt, daß es für Mami zuviel ist, schon eine ganze Weile. Seit damals, als wir in Paris bei Tante Romy eingeladen gewesen sind. Mami, Phil
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