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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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und ich. Ich habe mit dem kleinen David gespielt – ich sage klein, denn ich bin schon fast neun, und David ist kaum sechs – warum lachen Sie? …« Tatsächlich lachten die Reporter und die Kameraleute und ihre Assistenten und die Fotografen und die Männer vom Fernsehen und vom Rundfunk und von den Wochenschauen, und Sylvia und Rod und ich lachten auch – ich neidvoll, denn ich bemerkte, wie Rod mich ansah dabei, wissen Sie, in der Art: Na, wie habe ich das gemacht? Ich habe schon gewußt, was ich sagte, als ich sagte, die Kleine spricht heute die Einleitung, keiner von uns. Du, du Arschloch, hast gesagt, Babs wird nicht wissen, was sie sagen soll. Ich hab gesagt, Babs wird es genau wissen, die ist so was von altklug und heute schon gerissener als ihre Mutter und du und ich zusammen – na bitte, du Trottel, da hast du’s jetzt!
    Babs sah uns ehrlich verwundert an und fragte: »Warum lachen alle so, Mami? Und du auch und Phil und Onkel Rod? Ich bin doch älter als David!«
    Und natürlich umarmte Sylvia Babs daraufhin und drückte sie an sich und herzte und küßte sie. Na, da ging vielleicht ein zusätzliches Blitzlichtgewitter los, kann ich Ihnen sagen, mein Herr Richter, und auf den Fernsehkameras sah ich jetzt nur rot zuckende Lämpchen, alle zeichneten auf oder übertrugen direkt, wirklich alle – was nur da war: Erstes und Zweites Deutsches Fernsehen, Schweizerisches Fernsehen, der französische ORTF, die italienische RAI, die englische BBC, die amerikanischen Gesellschaften CBS und NBC und noch ein gutes Dutzend anderer Stationen mit ihren Schweizer Auslandsredaktions-Teams. Was da nicht direkt gesendet wurde, ging über eine Satelliten-Relaisstation nahe Zürich in den Himmel hinauf zu diesen ewig mit der Erde kreisenden Fernseh-Satelliten, wurde rund um den Erdball wieder zurückgesendet und in allen Kontinenten aufgezeichnet, registriert, um dann, je nach den Differenzen der Ortszeit, in der besten nächsten Abendsendezeit ›via satellite‹ ausgestrahlt zu werden.
    Die Aufnahmewagen, riesenhafte Dinger, standen draußen im Hof des DOLDER und verstopften ihn. Die keinen Platz mehr gefunden hatten – besonders die Aufnahmewagen der Rundfunkstationen, und das waren viel mehr –, parkten die Straßenschleife der Auffahrt entlang, die Straße nach Zürich hinunter oder die Straße zum Wald hinauf. Oben, beim Wald, pochten und tuckerten auch die schweren Maschinen der Lichtaggregate für die Scheinwerfer. Die Kabel, die da von draußen herein ins Hotel liefen, konnte man nicht mehr zählen – na ja, wie das eben immer war, nur war es zum ersten Mal im DOLDER, und alle Hotelgäste saßen in der großen Rundhalle oder auf ihren Zimmern vor Fernsehapparaten und lachten vermutlich auch – das Schweizer Fernsehen übertrug direkt, ARD und ZDF desgleichen, hier konnte man westdeutsche Sender weit ins Land hinein empfangen.
    »Das war also komisch, was ich da gesagt hab. Ich freue mich, daß Sie lachen …« Babs hatte natürlich weitergesprochen, es war wieder still geworden im langen Salon des DOLDER. Die Männer an den schweren Kameras standen auf Podesten, Augen auf die kleinen Mattscheiben ihrer Apparate gerichtet, Kopfhörer an den Ohren, sie bekamen ihre Anweisungen von den Regisseuren der Sendung, die in den Aufnahmewagen vor Monitorwänden saßen. Die Fotografen hockten, standen, lagen auf dem Boden, schossen mit ihren Hasselblads und Leicas und Rolleis aus den irrsinnigsten Winkeln, die Leute vom Rundfunk knieten vor Kontrollgeräten und hatten ebenfalls Kopfhörer, durch die sie aus ihren Aufnahmewagen erfuhren, ob der Ton deutlich genug war oder ob Nebengeräusche zu laut waren. Die vom Funk eilten ab und zu nach vorn, um eines der mindestens zwei Dutzend Mikrofone zurechtzurücken, die vor Babs, Sylvia, Rod und mir auf dem Tisch standen. Die Kameraleute des Fernsehens und der Wochenschau hatten dazu noch weitere Mikros an langen Stangen angebracht, sogenannten Galgen, die, auf Stativen verschraubt, über uns baumelten. Und die Männer hinter den Scheinwerfern sorgten dafür, daß wir stets hundertprozentig richtig ausgeleuchtet blieben.
    »… ich hab also mit David gespielt, und Tante Romy und Mami haben sich unterhalten, und natürlich haben sie gedacht, wir passen nicht auf – verzeih mir bitte, Mami, ich tu’s auch nicht wieder, aber …«
    »Was tust du nicht wieder?« fragte Sylvia, erstaunt lächelnd.
    »Horchen«, sagte Babs.
    »Du hast gehorcht?«
    Babs hustete trocken.

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