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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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»Ja, Mami. Ich weiß, das darf man nicht. Aber ihr habt auch ein bißchen laut geredet, und es hat mich interessiert, weil du doch gesagt hast, wie irrsinnig anstrengend so vier Filme direkt hintereinander sind – das war gerade ein drehfreier Tag für dich damals, erinnerst du dich? –, und Tante Romy hat gesagt, sie kennt das gut, man muß ab und zu einfach abschalten, und du hast gesagt, kann ich doch nicht, ich muß diesen Film doch weiterdrehen, er hat kaum angefangen, hast du gesagt, und dann hast du gesagt: Ich würde es ganz bestimmt aushalten, auch noch einen fünften. Aber dieser Film hier, an dem ist alles dran, da bin ich fast in jeder Einstellung drin, abends komme ich vollkommen erschlagen ins Hotel und will nur noch schlafen, schlafen, schlafen – und dann auch noch das Kind!«
    Gebrüll.
    Sagen wir: Gerührtes Gebrüll. Aber mächtiges.
    »Mein armer, armer Liebling«, sagte Sylvia, Babs an sich drückend. »Das tut mir ja so leid. Ja, ich habe es gesagt. Aber, mein Gott, du hast es gehört, wie schrecklich.«
    Babs machte sich energisch frei.
    »Ich muß niesen.«
    Sie tat es.
    Selbst dies fanden alle komisch. Sie wissen, wenn so etwas einmal angefangen hat, im Kino, im Theater – dann ist gewöhnlich alles im Eimer, dann lachen die Leute fortan bei jeder Gelegenheit, ununterbrochen, dann kann man gleich die Vorführmaschine stoppen, den Vorhang fallen lassen.
    Anders hier! Hier war selbst dieses Niesen ein Volltreffer. Rod, der Drecksack, strahlte. Ich bin sicher, wenn es für so was auch den Nobelpreis gäbe, er hätte erwartet, ihn für diesen Einfall, Babs plappern zu lassen, zu erhalten. Vom schwedischen König nicht nur persönlich, sondern auch noch mit dem Angebot, zu Gustav VI. Adolf ›Du‹ zu sagen.
    »Na«, sagte Babs zu der Meute vor ihr, »und da hab ich gewußt, wie schwer meine Mami arbeitet! Wenn sie so was sagt! Denn das hat natürlich geheißen: Dann auch noch das Kind, um das ich mich nicht mehr kümmern kann am Abend, weil ich sofort einschlafe, oft mitten im Essen ist sie eingeschlafen, meine Mami, wirklich. Und dann hat Phil mir immer noch ›Pu der Bär‹ vorgelesen oder ›Oliver Twist‹ oder ›Tom Sawyer und Huckleberry Finn‹. Phil, sei jetzt du bitte nicht böse, ich habe es genauso gerne von dir gehört, wirklich …« Sie legte eine kleine (heiße) Hand auf meine »… aber das hat sonst doch immer die Mami gemacht. Das und vorher mit mir beten.«
    »Ich habe nicht mit dir gebetet?« sagte ich, routiniert erschrocken. Bei mir war längst alles zur Routine geworden mit der Kleinen. Beten auch noch, mein Herr Richter! Ich sah, daß Rod grinste. Der Hund. Der geniale Scheißkerl! »Das ist … das ist … ich habe nicht gewußt, wie ihr betet …«, stotterte ich. Drehreife Routine, zum Kotzen!
    »Aber Phil«, sagte Babs – von allen Seiten zuckten die Elektronenblitze, warum eigentlich, ich kann das nie begreifen, ist das Scheinwerferlicht denn nicht stark genug? –, »aber Phil, weiß ich doch, daß du’s nicht weißt. Hab ich allein gebetet. Für uns alle. Das war’s nicht! Und du hast auch sehr schön vorgelesen. Am schönsten aus ›Alice im Wunderland‹, die Geschichte mit dem verrückten Hutmacher – auch das Kaninchen, das immer zu spät kommt, war prima. Aber ich hab doch immer denken müssen, wenn der Film fertig ist, dann muß Mami einfach tun, was Tante Romy ihr geraten hat.« Babs wandte sich wieder den Objektiven der Kameras und den Mikrofonen zu. »Und jetzt bin ich soweit, jetzt hab ich es Ihnen erklärt, warum das jetzt so sein wird. Also: Der Film mit Onkel Bianchi ist fertig. Und jetzt wird Mami, bevor sie den nächsten Film dreht, zum ersten Mal seit vier Jahren Urlaub machen.« Babs hustete wieder. Sie trug zu diesem Auftritt einen grünen Strick-Overall mit Rollkragen, am Hals mit einem Reißverschluß, darüber ein rotes Faltenröckchen mit Trägern und rote Schuhe. Das schwarze Haar war hochgesteckt, oben saß eine rote Stoffblume, an den Schläfen hingen Löckchen herab. »Wir sind alle schon sehr aufgeregt«, sagte Babs. »Am meisten natürlich ich. Denn das ist das erste Mal, wo Phil und Mami und ich nicht zusammen Urlaub machen. Nein, damit Mami sich so ganz richtig erholen kann, macht sie ganz allein Urlaub!« Babs lachte. »Und Phil und ich und Onkel Rod und Clarissa und Herr Doktor Wolken, wir lassen sie in Ruhe! Natürlich werde ich sicherlich traurig sein ohne Mami, aber dann … Es dauert ja nicht lange! Und ich

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